Empörung über Späh-Attacke: Berechtigt — aber auch ein wenig peinlich

Empörung über die Späh-Attacke auf die Bundeskanzlerin

Die Späh-Attacke auf die deutsche Kanzlerin ist eine Unverschämtheit. Wenn Angela Merkel deshalb empört den amerikanischen Präsidenten anruft, ist das richtig. Und wenn Außenminister Guido Westerwelle den US-Botschafter einbestellt, ist auch das richtig, obwohl sonst vor allem Diplomaten aus Staaten wie Nordkorea oder Iran an solch eine Behandlung gewöhnt sind. Also ganz großes Kaliber der Empörung.

Richtig so. Zumal es klar scheint, dass die Angriffe wirklich stattfanden. Gäbe es daran Zweifel, wären die Erklärungsversuche aus Amerika nicht derart fadenscheinig. Die Beteuerung, das Ausspähen gegenwärtig und in Zukunft nicht zu tun, kann man getrost als Schuldeingeständnis für die Vergangenheit werten.

So berechtigt die Empörung ist, sie trägt allerdings auch Züge von Doppelzüngigkeit und Peinlichem. Es wäre naiv, wenn die deutsche Regierung wirklich davon ausgegangen sein sollte, dass Amerika das, was es in Mexiko oder Frankreich tut, nicht auch in Deutschland versucht. Aus amerikanischer Sicht ist es wahrscheinlich sogar nur logisch, auch enge Verbündete zu kontrollieren. Selbst wenn die jetzt vehement protestieren, juckt das in Washington in Wirklichkeit kaum jemand. Solange es keine ernsten politischen oder wirtschaftlichen Folgen hat, werden Obama & Co. Betroffenheit mimen, aber innerlich lächelnd die Sache abhaken. Was aus deutscher Sicht desillusionierend ist.

Peinlich ist ebenfalls, dass erst, wenn die Kanzlerin selbst betroffen ist, Spähattacken eine derartige Bedeutung erhalten. Noch haben wir den 12. August vor Augen, als Kanzleramtschef Ronald Pofalla die NSA-Spähaffäre offiziell für beendet erklärte. Aus heutiger Sicht ein riesiger Fehler.

Einziger positiver Aspekt der aktuellen Affäre ist, dass sich dank des prominenten Opfers die öffentliche Einstellung zur Datensicherheit und zum Persönlichkeitsschutz verändern könnte. Mehr Menschen dürften begreifen, was technisch alles möglich ist, und dass sich keiner vor Angriffen schützen kann. Vielleicht besprechen sie künftig seltener Vertrauliches per Handy und überlegen sich, ob sie wirklich alle sensiblen Dokumente elektronisch versenden.