Kommentar Flüchtlinge: Not der einen gegen das Elend der anderen

Das Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer betrifft auch NRW

Es gibt Bilder, die beschreiben unerträgliche Situationen viel besser als es Worte könnten. Etwa jenes ikonische Foto des Flüchtlingsaktivisten José Palazón aus dem vorigen Oktober. Ein Dutzend Flüchtlinge ist darauf zu sehen, das in Melilla, dem spanischen Vorposten in Nordafrika, versucht, über einen haushohen Zaun zu klettern. Davor sieht man auf sattem Grün zwei Golferinnen, die gelangweilt ihr Handicap verbessern.

Bilder mit ähnlicher Symbolkraft entstehen derzeit beinahe täglich in der Ägäis oder an vielen anderen Orten vor den Küsten Griechenlands, Italiens oder Spaniens. Dort treffen Flüchtlinge aus Afrika, dem Nahen Osten oder Asien auf zahlende Touristen. Die einen haben die Überfahrt über das Mittelmeer mit Ach und Krach überlebt, die anderen ihre Erholung im Sinn. Der Anblick von untergehenden Booten und dreckigen Menschen trübt das Urlaubsvergnügen.

An Flüchtlinge müssen sich aber nicht nur Badeurlauber am Mittelmeer — nicht im touristischen Alleinbesitz übrigens — gewöhnen, sondern auch die Menschen in NRW. Etwas mehr als 10 000 Plätze stehen für die Neuankömmlinge bereit — ausreichen werden sie wohl nicht.

Die Verteilungskämpfe zwischen den Städten, Ländern und dem Bund haben längst begonnen. Dabei scheut sich mancher nicht, die Not der einen gegen das Elend der anderen aufzurechnen. Auf 50 Milliarden Euro sind die Sozialausgaben der Kommunen in den vergangenen 15 Jahren angestiegen — da mag man nicht noch für Flüchtlinge in die Tasche greifen. Berlin soll es jetzt richten, mit Geld und eiligst beschlossenen Gesetzen, die helfen sollen, unerwünschte Migranten abzuschieben.

Wie die Faust aufs Auge passt eine Forderung von Eva Lohse (CDU), der Vizepräsidentin des Städtetags. Es sollten künftig nur noch solche Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt werden, die auch Aussicht darauf haben, bleiben zu dürfen, forderte die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin am Dienstag. Sie setzt damit nicht nur dem St. Florians-Prinzip die Krone auf — Flüchtlinge verschont doch bitte unsere Stadt, das Land kümmert sich schon um euch. Aus Lohses Forderung ergibt sich unmittelbar eine lupenreine Zweiklassengesellschaft aus denen, die ohnehin ganz unten stehen.