FIFA Das war kein Rücktritt — das ist eine Flucht
Kommentar Was der holprige Abgang des Fifa-Präsidenten bedeutet
Kein Satz des Bedauerns. Kein Wort. Nicht einmal eine Andeutung. Keine Entschuldigung, kein Eingeständnis, nicht einmal die Andeutung eigenen Fehlverhaltens oder Versagens. Stattdessen die Kampfansage, sich mit angeblichen oder wirklichen Reformen nach der Rücktrittsankündigung erst recht durchsetzen zu wollen: „This time, I will succeed“, drohte Blatter gestern abend wörtlich (deutsch: Dieses Mal werde ich Erfolg haben).
So eine Rede hält man nicht, wenn man auch nur ein einziges Wort in ihr ehrlich meint. So eine Rede halten Diktatoren auf der Flucht, wenn die Panzer der Befreier schon die Einfahrt zum Palast hinauf rollen. Es hätte am Dienstagabend niemanden gewundert, wenn am Ende der Rede die Handschellen zugeschnappt hätten.
Was auch immer Blatter sonst noch von sich geben mag: Nichts an dem Auftritt am Dienstag war geplant. Weder der Zeitpunkt noch die Art des Rücktritts. Nicht einmal der Raum war für die Pressekonferenz vorbereitet, niemand war informiert. Die Welt erlebte Blatter erstmals als einen Gejagten. Die Schlinge um Blatters engsten Kreis zieht sich zu. Einige Nachrichtenagenturen haben bereits begonnen, den Fifa-Präsidenten nicht mehr Sepp, sondern in amerikanischer Namens-Schreibweise „Joseph S. Blatter“ zu nennen — so, wie er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit in den Anklageschriften der US-Justizbehörden heißen wird.
Die US-Behörden ermitteln jetzt bereits im engsten Kreis Blatters, und dem Fifa-Herrscher muss am Dienstag schlagartig klargeworden sein, dass er wenig dagegen tun kann. Seit dem vergangenen Wochenende, an dem Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke es vorsichtshalber vermied, in Kanada bei der Eröffnungsfeier der Frauen-WM aufzutreten, verdichten sich die Hinweise, dass das FBI bereits sehr nah an Blatters rechter Hand ist.
Wie auch immer dieser Krimi weitergeht — ein Ergebnis bleibt frustrierend. Dass es den wichtigen Fußballnationen, allen voran Deutschland, und den Finanziers aufseiten der Sponsoren und TV-Partner nicht gelungen ist, das Regime Blatters aus eigener Kraft abzuschütteln und Ordnung zu schaffen.