Gewaltausbruch im Wendland: Protest hat mit Kultur zu tun

Ein Kommentar von Lothar Leuschen.

Die Bilder gleichen sich. Gewalt vor zwei Jahren, als der elfte Castor-Transport nach Gorleben rollte. Gewalt, während der zwölfte Zug mit strahlenden Resten aus Frankreich nach Niedersachsen rollt. Doch die Bilder sind stumm. Sie zeigen Demonstranten, die sich an Schienen ketten, und solche, die versuchen, das Gleisbett zu beschädigen. Sie zeigen schwer bewaffnete Polizisten, die ihren Auftrag zu erledigen versuchen. Was die Bilder nicht zeigen können, ist die Intensität, mit der die Gewaltbereiten unter den Kernkraftgegnern vorgehen. Molotow-Cocktails auf Polizeifahrzeuge überschreiten die Grenze dessen, für das Beobachter noch Verständnis aufbringen können. Protest hat mit Kultur zu tun. Zerstörungswut bis hin zu schwerer Körperverletzung aber ist kulturlos, mithin nicht mehr als Protest zu bezeichnen, also kriminell.

Dabei genießt der Widerstand gegen ein Endlager in Gorleben und gegen die Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten von Atomkraftwerken deutlich zu verlängern, in weiten Teilen der Bevölkerung durchaus Sympathie. Atomkraft gilt zwar als sauber, ihre Produktion hinterlässt aber lebensgefährlichen Müll. Und je länger die Meiler Energie liefern, desto höher wird der Müllberg. Fachleute sprechen von 450 Tonnen pro Jahr. Jeden Tag wir die Dringlichkeit größer, den Abfall sicher zu lagern.

Auf der anderen Seite ist ein Industrieland wie Deutschland auf Energie angewiesen. Und Zweifel daran, dass regenerative Quellen den Bedarf bis 2020 hätten decken können, sind auch mit Fähnchen und Aufklebern nicht zu verscheuchen. Doch darüber ist kaum geredet worden, als die Bundesregierung ihre Ankündigung aus dem Wahlkampf wahr machte und die Laufzeiten zum Wohle der Kraftwerksbetreiber und des Finanzministeriums verlängerte. Das ist ein Grund dafür, dass der Protest Zulauf bekommen hat. Nie war die Zahl der Demonstranten so groß, denn nie hatten so viele Menschen das ungute Gefühl, dass eine Regierung Lobby-Interessen vertritt. Eine ehrliche Diskussion hätte allen Beteiligten und der Sache gut getan.

Die Chaoten wären freilich trotzdem im Wendland. Gegen die ist kein Kraut gewachsen. Sie treiben ihr Unwesen heute in Gorleben, morgen in Stuttgart und übermorgen sonstwo.