Meinung Kurz kontra Merkel
Besonders eilig hatte es Österreichs neuer Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht, Angela Merkel seine Aufwartung zu machen. Erst rund einen Monat nach seinem Amtsantritt lässt sich Europas jüngster Regierungschef in Berlin blicken.
Das passt: Der 31-Jährige profiliert sich als Kontrastprogramm zur deutschen Kanzlerin. Kurz hat kein Problem damit, die Rechtspopulisten von der FPÖ in die Regierung zu holen. Dass die Union diesen Weg mit der AfD geht, scheint undenkbar. Jedenfalls solange Merkel bei den Christdemokraten das Sagen hat.
Die Mitte-Rechts-Koalition in Wien plant zwar nicht den Austritt Österreichs aus der EU. Aber die Gemeinschaft soll sich anders ausrichten. Nicht mehr, sondern weniger Europa ist das Ziel. Als Verbündete sieht Kurz Polen, Tschechien, die Slowakei und vor allem Ungarn unter Führung des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Als gemeinsame Überzeugung teilen sie eine härtere Gangart gegenüber den Flüchtlingen. Kurz hält den von der EU beschlossenen Plan für eine faire Verteilung der Asylbewerber für einen „Irrweg“. Jedes Land solle selbst entscheiden, ob es Migranten aufnehmen wolle. Merkel sieht das anders, sie erwartet ein solidarisches Miteinander.
Nicht wenige Politiker hierzulande schauen mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung Richtung Österreich. Kurz schafft es, rechte Positionen als zeitgeistigen Fortschritt zu verkörpern. Das gefällt dem künftigen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder ebenso wie FDP-Chef Christian Lindner. Auch Jens Spahn, für viele in der CDU der konservative Hoffnungsträger für die Zeit nach Merkel, steht inhaltlich nah bei dem Politstar aus der Alpenrepublik. Ein Kontrastprogramm dazu bildet der französische Präsident Emmanuel Macron. Er will weniger Nationalstaat und mehr Europa, mehr Geld für Brüssel und nicht weniger. Gut möglich, dass Macron für seine Linie nicht genügend Mitstreiter findet.