Libyen: Ein diplomatischer Offenbarungseid
Deutschlands Enthaltung im Sicherheitsrat ist ungeschickt
Deutschland hat sich im UN-Sicherheitsrat der Stimme zur Anti-Gaddafi-Resolution enthalten. Formal ist das eine Nicht-Festlegung. Politisch aber hat Berlin damit eine Entscheidung getroffen, die nachhaltige Folgen haben wird.
Angela Merkel nimmt als Kanzlerin jetzt die umgekehrte Position zu der ein, die sie einst, noch als Kandidatin, zum Krieg gegen den Irak bezog. Damals wollte sie partout mitmachen, heute will sie sich raushalten — und liegt erneut falsch.
Das muss man nicht an Gaddafis Applaus für die deutsche Haltung ablesen. Das läppische Lob des ewigen Revolutionsführers ist für Merkel und Westerwelle nur an der Oberfläche peinlich. In der Sache hat es nicht mehr Aussagewert als die Mitteilung, Sarkozy sei ein Freund, nur „leider wahnsinnig geworden“.
Auch die Flüster-Parolen aus dem Wüstenzelt, letztlich gehe es den westlichen Herrschaften nur ums Öl, kann man vergessen. Zu beanstanden sind nicht unredliche Motive, sondern ein zu kurz greifendes Urteilsvermögen und Mangel an politischer Tatkraft.
Kein Mensch kann bestreiten, dass es für die Berliner Vorbehalte triftige Gründe gibt, nicht nur in Gestalt eines tiefen Unwillens der Wähler, die Bundeswehr ein weiteres Mal in ein Unternehmen mit höchst ungewissem Ausgang zu schicken. Das militärische Risiko ist groß, die Frage nach dem genauen Einsatz-Ziel nicht annähernd beantwortet. Zwei Einwände haben sich aber im Verlauf der wochenlangen Beratungen erledigt: Es gibt für den Einsatz eine glasklare Rechtsgrundlage, und arabische Länder machen mit.
Das eigentliche Manko des Berliner Kurses war der Verzicht auf einen konstruktiven Lösungsvorschlag. Die Bundesregierung hat fleißig mitverurteilt, mitgefordert und Sanktionen mitbeschlossen. Das sind aber alles keine tauglichen Mittel gegen ein drohendes Massaker.
Zu diesem zunehmend realistischen Szenario hatte Berlin nicht mehr zu bieten als das Mantra „Wir sind skeptisch!“ Die Bundesrepublik hat das Feld kleinlaut den Franzosen und Briten überlassen, dem sicherheitspolitisch tonangebenden EU-Tandem. Stimm-Enthaltung per se ist keine Schande, Skrupel beim Umgang mit der Waffe ist aller Ehren wert. Als einzige Antwort auf die Lage in Libyen war das jedoch ein diplomatischer Offenbarungseid.