Meinung Loveparade: Opfer hoffen auf Wuppertaler Gutachter

Sechs Jahre nach der Loveparade-Katastrophe gibt es für die Opfer und Angehörigen neue Hoffnung. Der Verkehrsexperte Jürgen Gerlach von der Universität in Wuppertal soll für die Staatsanwaltschaft herausfinden, wie es zu dem Unglück mit 21 Toten und mehr als 650 Verletzten kommen konnte.

Gerlach gilt als Experte für Verkehrssicherheit und die Sicherheit bei Großveranstaltungen.

Aber warum kommt die Staatsanwaltschaft erst jetzt auf Gerlach? Jahrelang hatte die Behörde auf den britischen Panikforscher Keith Still gesetzt. Obwohl sich dessen Gutachten aus fadenscheinigen Gründen immer wieder verzögerte, hielten die Duisburger Staatsanwälte an ihm fest. Mit den bekannten Folgen: Das Landgericht ließ die Anklage nicht zum Hauptverfahren zu. Weil das Gutachten von Still nach Meinung des Gerichts „gravierende inhaltliche und methodische Mängel aufweist“. Weil es „nicht verwertbar“ ist. Offenbar haben die Staatsanwälte mit der Wahl des ersten Gutachters nicht nur voll danebengegriffen. Sondern sie hatten auch nicht den Mut, die Arbeit an einer Expertise, die erkennbar aus dem Ruder läuft, zu stoppen.

Ob Gerlach eine bessere Arbeit abliefert, wird sich zeigen. Noch ist völlig offen, ob ein zweites Gutachten zur Eröffnung eines Hauptverfahrens führt, ob das Oberlandesgericht Düsseldorf bei seiner Prüfung einen hinreichenden Tatverdacht bejaht. Vor allem den Hinterbliebenen und Freunden der Opfer wäre das zu wünschen.

Dass es zu einer Hauptverhandlung kommt, wäre aber auch gut für uns alle. Wer sich die Bilder der Tragödie in Erinnerung ruft, kann einfach nicht begreifen, dass niemand für dieses tödliche Versagen verantwortlich sein soll. Eine Justiz, die sich als unfähig erweist, eine solche Katastrophe aufzuarbeiten, verliert ihre Glaubwürdigkeit. Sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Veranstalters sollten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt werden. Wenn es tatsächlich nicht zum Prozess kommt, wird nie ein Gericht prüfen, ob Fehler bei der Planung, Genehmigung und Durchführung der Loveparade zu den Todesfällen führten. Eine unerträgliche Vorstellung. Zu allem Überfluss würde die fehlende Hauptverhandlung alle Zivilklagen der Opfer auf Entschädigungen erheblich erschweren. Möge Jürgen Gerlach rasch und gut arbeiten.