Meinung Nato-Gipfel: Rückversicherung der Demokratien
Etwa 10.000 Soldaten der Franzosen, Briten und Amerikaner gab es bis 1989 in West-Berlin, aber 400.000 russische und 150.000 DDR-Soldaten ringsum. Und dennoch fühlten sich die West-Berliner sicher. Denn es war klar, ein Angriff auf dieses eher symbolische Kontingent der Alliierten hätte den ganz großen Krieg bedeutet.
Ob es tatsächlich so gekommen wäre, weiß man nicht. Der Bluff aber, wenn es denn einer war, reichte aus.
An der Ostflanke der Nato ist es jetzt ähnlich. Die vier international gemischten Bataillone, die das westliche Bündnis ins Baltikum und nach Polen schicken will, sollen eine Rückversicherung darstellen - wenn ihr diese Länder angreift, greift ihr auch unsere Soldaten an und damit uns selbst. Die Botschaft an Russland ist denkbar defensiv und dennoch klar. Mehr und Schärferes wäre vorstellbar gewesen, bis hin zur Stationierung atomarer Gefechtsköpfe. Denn nicht die Nato hat Gebiete anderer Staaten erobert, auf der Krim war es Russland. Nicht die Nato führt verdeckte Kriege in fremden Ländern, in der Ost-Ukraine ist es Russland. Die Bedrohung ist real.
Trotzdem hat die Nato in Warschau sehr bewusst alles vermieden, was einen Rückfall in den Kalten Krieg bedeutet hätte. Denn damit wäre das Ende jeglicher Kooperation überall auf der Welt einhergegangen, ob in Syrien oder im globalen Kampf gegen den Terror. Lieber hat man auf das Muster West-Berlin zurückgegriffen. Die Türen für Gespräche bleiben offen. Und das ist gut so. Zumal nicht ausgemacht ist, wie weit Putin mit seinem aggressiven Großmachtstreben gehen will. Will er nur die Krim? Will er in der Ost-Ukraine und an den Grenzen Georgiens nur erreichen, dass diese Länder nicht der Nato beitreten?
Das sind zwar alles klare Verstöße gegen internationales Recht, doch müssen sie wohl hingenommen werden, sofern sie nicht direkt die Mitglieder der Nato berühren. So wie der Berliner Mauerbau auch hingenommen werden musste. Wenn Putin aber mehr will, ein Rollback gegen ganz Ost-Europa, dann hat Warschau dafür ein Stopp-Signal der Geschlossenheit der Demokraten gesetzt.
Das Primat der Politik bleibt nach dem Nato-Gipfel gewahrt, so wie es Außenminister Frank-Walter Steinmeier angemahnt hat. Es gibt seitens der Nato als Antwort keine militärische Eskalationsspirale. 1000 Nato-Soldaten je Land stellen keinerlei Bedrohung für Russland dar und sind erst recht kein Säbelrasseln. Aber für manchen Balten und Polen ist es ungemein beruhigend zu wissen, dass deutsche, britische, französische und amerikanische Soldaten für ihre Freiheit kämpfen würden. Bleibt die Frage: Würden sie wirklich?