Ratingagenturen: Deutsche Freude — europäische Gelassenheit
Der richtige Umgang mit den Ratingagenturen.
Schon in der Schule war die Note 1 besonders dann wertvoll, wenn alle Klassenkameraden schlechtere Zensuren hatten. Einen ähnlichen Effekt erlebt jetzt Deutschland. Die Abstufung anderer Staaten ist natürlich kein Grund zum Jubeln. Denn die Rettung des Euro wird dadurch erschwert und teurer. Aber dennoch kann Deutschland ein Stück stolz drauf sein, als einziges Land der Euro-Zone unangefochten das Rating AAA von Standard & Poor’s zu besitzen. Denn Finnland, Luxemburg und auch die Niederlande, die noch ungeschoren davonkamen, könnten demnächst den Franzosen und Österreichern beim Abstieg in die zweite Liga folgen müssen.
Das ist eine Bestätigung für die Wirtschaftskraft, für den Fleiß der Menschen und auch für die Arbeit der Bundesregierung. Auch wenn den Bürger häufig das Gefühl beschleicht, dass Berlin — zusammen mit anderen Hauptstädten — zu wenig entschlossen die Bewältigung der Schuldenkrise angeht: Ganz so schlecht scheint zumindest aus der Außensicht, die eine amerikanische Ratingagentur nun mal hat, die Arbeit der Regierung Merkel nicht zu sein. Damit das so bleibt, darf sie allerdings künftig die Staatsverschuldung nicht deutlich über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen lassen.
Von dem deutschen Sonderaspekt abgesehen, ist es wichtig, die Abstufung zahlreicher Länder zu relativieren. Denn es handelt sich lediglich um die Einschätzung einer von drei wichtigen Ratingagenturen. Insofern sind die betroffenen Länder gut beraten, wenn sie Gelassenheit zeigen. Denn je intensiver sie sich mit den Einstufungen beschäftigen, desto mehr werten sie sie auf. Und dabei sollte man nicht vergessen: Ratingagenturen sind keine unantastbaren Instanzen, sondern private Unternehmen, die mit ihrer Arbeit Gewinne erzielen müssen. Im aktuellen Fall kann auch der Verdacht, dass sie amerikanische Interessen vertreten, nicht ausgeräumt werden. Schließlich stehen die USA schon länger da, wo Frankreich jetzt landete.
Forderungen, wie die des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Michael Fuchs, deshalb flugs eine europäische Ratingagentur zu gründen, scheinen allerdings übertrieben. Solch ein Unternehmen kann nur bestehen, wenn die Märkte nach ihm rufen — und nicht die Politik.