Meinung Razzien gegen Rocker müssen Strafprozesse folgen

Vielleicht gehört es zum guten Ton für einen NRW-Innenminister, zu Beginn oder zum Ende einer Amtszeit irgendwas im Rockersumpf zu verbieten. Ralf Jäger (SDP), der Vorgänger Herbert Reuls (CDU), hatte nur wenige Tage vor der Landtagswahl 2012 die Kölner Hells Angels verboten.

Foto: Dirk Jochmann-Germany-47807 Kref

Er blieb Innenminister, und im März dieses Jahres kündigte er ein hartes Durchgreifen bei der Einhaltung des bundesweiten Kutten-Verbots für die Hells Angels und die Bandidos an.

An sich ist ein hartes Durchgreifen der Innenminister bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität unter dem Deckmantel der Motorradromantik auch nur wünschenswert. Die gestrige Amtshandlung Herbert Reuls, der seit Juni dieses Jahres im Amt ist, lässt jedoch eine Frage offen: 700 Polizisten durchsuchen 50 Wohnungen von potenziellen Schwerverbrechern und es kommt zu keiner Verhaftung. Sogar Spezialeinsatzkommandos müssen der Polizei beistehen, da einige Rockerpersönlichkeiten zu gefährlich sind, wie die Essener Polizei mitteilt. Und Herbert Reul sagt selbst: „Die Mitglieder sind nachweislich kriminell“, ihr Alltag bestehe aus Gewalt, Waffen, Drogen und Zwangsprostitution. Und keiner wird verhaftet?

Das lässt sich wie folgt erklären: Für eine Untersuchungshaft müssen zwei Kriterien erfüllt werden. Der dringende Tatverdacht (in einigen Fällen offenbar gegeben) und ein Haftgrund wie Fluchtgefahr oder Verdunklungsgefahr, also das Verschwindenlassen von Beweisen etwa. Nach Ansicht des Innenministeriums liegt offenbar keiner der Haftgründe vor. Trotzdem könnte bei den Erkrather Anwohnern etwa, die von den Machenschaften der Rocker — beispielsweise der Massenschlägerei im vergangenen Sommer — in „Angst und Schrecken“ (Reul) versetzt werden, der Eindruck entstehen, dass hier zu wenig passiert. Auch sei die Frage erlaubt, ob einer, der Frauen zur Prostitution zwingt, jetzt damit aufhört, weil sein Verein verboten wurde. Dem Verbot müssen in jedem Fall Strafprozesse folgen. Sonst war die Aktion kaum mehr als der effektvolle Auftakt einer Amtszeit.