Meinung Brandherd Nordirak

Die Terrortruppe namens Islamischer Staat (IS) hat nach monatelangen Kämpfen ihre inoffizielle Hauptstadt Al-Rakka verloren. Sowohl in Syrien als auch im Irak stehen die Dschihadisten vor einer militärischen Niederlage.

Foto: Sergej Lepke

Dieser Erfolg der internationalen Anti-IS-Koalition legt wieder einen Konflikt frei, der lange vom Kampf gegen den IS überdeckt wurde — die Bildung eines Kurdenstaates, der im Nahen Osten äußerst umstritten ist.

Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer haben in der jahrelangen Auseinandersetzung mit dem IS mächtig Boden gut gemacht. Nachdem die irakische Armee im Sommer 2014 vor den Dschihadisten geflohen war, brachten sie die Region Kirkuk unter ihre Kontrolle. Damit hatten sie Zugriff auf sehr profitable Ölfelder außerhalb ihrer Autonomiegebiete. International gab es für die Effizienz der kurdischen Armee in der Auseinandersetzung mit dem IS viel Lob. Die Bundeswehr lieferte gar Waffen im Wert von 90 Millionen Euro und sorgte für die Ausbildung der Kämpfer. Vor drei Wochen schienen die Kurden ihrem Ziel schließlich ganz nah zu sein. Mit überwältigender Mehrheit stimmten sie bei einem Referendum für ihre Unabhängigkeit.

Inzwischen macht sich Ernüchterung breit. Die irakische Zentralregierung in Bagdad will eine Abspaltung der Kurden unter allen Umständen verhindern. Und die Armee des Landes verfügt wieder über die Kraft, die Ölfelder bei Kirkuk zurückzuerobern. Damit fehlt den Kurden eine entscheidende Einnahmequelle. Indem der IS als Gegner zunehmend an Bedeutung verliert, bricht der Konflikt zwischen den Kurden und der Regierung in Bagdad wieder mit voller Wucht aus. Die großen Nachbarn Türkei und Iran wollen einen unabhängigen Kurden-Staat ohnehin verhindern, weil ihre eigenen kurdischen Minderheiten kein Vorbild bekommen sollen. Insbesondere der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will keinen Kurdenstaat dulden. Der Boden für neuen Terror ist damit bereitet.