Schule kann nicht alles ausbügeln
Wirtschaft als Pflichtfach löst die Probleme nicht
"Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen“ — mit ihrem Tweet hat die Kölner Schülerin Naina einen Nerv getroffen und die alte Diskussion über den Anspruch von Schule, auf das Leben vorzubereiten, wiederbelebt. Vor allem der Jugend, durch G8 und andere Schulreformen geplagt, spricht sie aus dem Herzen. Aber auch viele Lehrer und Eltern liebäugeln mit dem Fach Wirtschaft im Lehrplan. Erst 2013 debattierten Politiker und Verbände im Land (ergebnislos) darüber, Verbraucherbildung oder Haus-Management zum Pflichtfach zu erheben.
Also einfach ein weiteres Fach einführen und alles wird gut? Nein, und das nicht nur, weil es den prall gefüllten Lehrplan noch mehr belasten würde. Nein, denn der Bildungsauftrag der Schule darf sich nicht darauf beschränken, Wissen zu vermitteln, das im Alltag angewendet werden kann. Das nur dann für gut befunden wird, wenn es sich in barer Münze auszahlt oder zumindest zu beruflichem Erfolg führt. Wo, wenn nicht in der Schule, kann der Grundstock für so etwas wie Allgemeinbildung gelegt, kann Neugier auf Gedanken und Welten jenseits des Hier und Jetzt vermittelt werden. Deutschland, das Land der Dichter und Denker, droht zu verarmen, wenn es immer mehr den Nutzen zum Maßstab aller Dinge macht.
Die Gradwanderung zwischen weltfremder Vergeistigung einerseits und kurzsichtigem Pragmatismus andererseits kann nur gelingen, wenn beide Seiten aufeinander zugehen. Lehrpläne sind keine ehernen Gesetze, sondern müssen immer wieder hinterfragt und den sich ändernden Anforderungen von Beruf und Gesellschaft angepasst werden. Das Wissen um Literaturklassiker darf den Erwerb wirtschaftlicher Grundkenntnisse nicht ausschließen. Schüler sind künftige Konsumenten und aktive Gestalter unserer Gesellschaft.
Dafür müssen sie fit gemacht werden — in der Schule, in der Familie und im Freundeskreis. Schule kann nicht alles und schon gar nicht ausbügeln, was im Privatleben versäumt wird. Auch die Schüler selbst können hier einen Anteil übernehmen. So manches Wissen stammt aus eigenen Erfahrungen, nicht aus der Schule.