Seehofer — viel Tempo, aber wenig Substanz

Eines muss man Horst Seehofer lassen: Der neue Bundesinnen- und Heimatminister legt los wie ein Wirbelwind. Vermutlich auch, um es seinen Kritikern zu zeigen, die die ketzerische Frage gestellt haben, ob er mit fast 69 Jahren den Job des Superministers überhaupt noch stemmen kann.

Hagen Strauss.

Ein „Weiter so“ werde es mit ihm als Innenminister jedenfalls nicht geben, so hatte der CSU-Mann im Bundestag angekündigt — was immer er auch darunter versteht. Der Punkt ist freilich der, dass Seehofer bisher eher verstörend anstatt überzeugend agiert hat.

Das lässt sich an einigen Beispielen konkret machen: Die von ihm neu entfachte Debatte darüber, ob der Islam zu Deutschland gehört oder eben nicht, hat erheblich geschadet und lediglich der AfD genützt. Gräben, die weitgehend zugeschüttet waren, sind nun wieder unnötig aufgerissen. Auch innerhalb der Union, auch zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer. Die Kanzlerin hat den CSU-Chef zurechtgewiesen. Merkel weiß, dass ein Innenminister zwar hart in der Sache, aber nicht als Spalter handeln sollte. Weil das in unruhigen Zeiten Vertrauen kosten kann.

Völlig verunglückt ist auch Seehofers Personalpolitik. Unter seiner Führung hat sich die CSU verweigert, zumindest eine Frau an den Kabinettstisch zu entsenden — das macht auch die Berufung einer Staatsministerin für Digitales nicht wett. In seinem personell und inhaltlich aufgeblähten Ressort selbst hat Seehofer inzwischen für einen Aufschrei gesorgt, weil nur Männer der Leitungsebene angehören. Das Foto der Herren hat im Netz bereits Kultstatus erlangt. Nun mag manch einer sagen, es gibt Wichtigeres, das ist eine Lappalie. Ist es aber nicht. Weil es zeigt, wie schwer es Seehofer und der CSU fällt, sich vom alten Rollenverständnis zu verabschieden. Die Partei ist in Wahrheit eben doch nicht so modern, wie sie gerne vorgibt.

Nun macht sich der Minister auch noch daran, entgegen aller Kritik bis zum Herbst das erste Rückführungszentrum für Flüchtlinge einzurichten. Wohlgemerkt bis zum Herbst. Dann sind Landtagswahlen in Bayern. Kein Zufall also. Mehr Abschiebungen verspricht Seehofer. Dabei ist seine politische Einflussmöglichkeit in diesem Bereich begrenzt, da die Zuständigkeiten vor allem bei den Ländern liegen. Anspruch und Wirklichkeit könnten also in dieser Frage alsbald Seehofer einholen. Der Minister muss daher gehörig aufpassen, dass diese Substanzlosigkeit nicht zu seinem Markenzeichen wird.