Warum das Landleben nichts für Zeitoptimierer ist
Es gab Zeiten, da schien das eine Art Naturgesetz zu sein: Junge Menschen wollen in der Großstadt leben, da, wo etwas los ist. Aber sobald ein Kind ins Spiel kommt, suchen sie das Weite angesichts von Abgasen, Straßenlärm und Betonwüsten.
Dann soll es das Haus mit Garten im Grünen sein.
Dieses Naturgesetz gibt es so nicht mehr. Die Lebensentwürfe sind bunter geworden, meist auch komplizierter. Wenn beide Eltern arbeiten, wachsen die Anforderungen an ein optimiertes Familienleben. Oft verheißt die Großstadt mit ihrem vielfältigen Angebot da mehr Entlastung und größere Zeiteffizienz. Dazu passt, dass das Leben eines Berufspendlers, zumal wenn er dabei auf das Auto angewiesen ist, einer wachsenden Zahl junger Menschen äußerst unattraktiv erscheint. Aus ökologischen Gründen — aber auch, weil der tägliche Stau und die Kosten für das einstige Freiheitssymbol aus Blech eine gigantische Lebenszeit- und Geldvernichtung zur Folge haben.
In diesem Abwägungsprozess haben die Dörfer und Kleinstädte scheinbar die besseren Karten, die nahe an den großen ÖPNV-Achsen liegen. Aber dort muss es nicht zwangsläufig auch ansonsten die bessere Infrastruktur geben; zum Teil ist sie sogar schlechter, weil der Sprung in die nächsten Großstädte leichter fällt.
Viele Dörfer und Kleinstädte werden längst aktiv und versuchen, ihre Zukunft selbst zu sichern. In Delbrück im Kreis Paderborn bringt das Bang-Starter-Center Jugendlichen die Berufsmöglichkeiten in örtlichen Betrieben näher. Das Programm „Heimvorteil HSK“ soll Exil-Sauerländer mit Hilfe bei der Jobsuche und Werbung für die Freizeitgestaltung zur Rückkehr bewegen. Andere Gemeinden unterstützen junge Familien beim Erwerb alter Häuser.
Aber das Grunddilemma ist damit nicht beseitigt: Auf dem Land ticken die Uhren anders, die Wege sind oft weiter, vieles kostet mehr Zeit. Kein Sehnsuchtsort für Zeitoptimierer.