NRW-Versammlungsgesetz Demos sind weiterhin richtig und wichtig
Meinung · Warum auch in Zeiten des Internet, in denen sich jeder am Meinungsaustausch beteiligen kann, das Demonstrationsrecht weiterhin wichtig ist.
Ist das ein Grundrecht oder kann das weg? Auch die Gegner des in NRW geplanten Versammlungsgesetzes behaupten nicht, dass die Demonstrationsfreiheit abgeschafft werden soll. Aber angesichts der Pläne eines schwammigen Militanzverbots, einer erweiterten Haftung des Demo-Anmelders und polizeilicher Übersichts-Videoaufnahmen warnen sie: So werden der Polizei mehr Spielräume für Einschränkungen und Verbote gegeben. Und damit das Versammlungsrecht entwertet.
Ein Recht, das das Bundesverfassungsgericht schon 1985 geadelt hat. Dass die ungehinderte Ausübung des Demonstrationsrechts dem Bewusstsein politischer Ohnmacht und gefährlichen Tendenzen zur Staatsverdrossenheit entgegenwirke, betonten die Richter in ihrem Brokdorf-Beschluss. In einer Gesellschaft, „in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt ist“. Indes: 1985 gab es kein Twitter, Facebook, Instagram. Längst haben sich die Umstände geändert, jeder kann mittönen in der täglichen Kakophonie schlauer und idiotischer Meinungsäußerungen. Könnte man da nicht sagen: Wenn der Staat sich ein paar mehr Eingriffsrechte beschafft, so ist das nicht schlimm. Jeder kann doch per Handy seine Meinung kundtun.
Das sehen die Menschen ganz und gar anders. Was gerade das zurückliegende Wochenende beweist. Sie gingen auf die Straße für den Klimaschutz, für ihre sexuelle Identität, gegen Corona-Beschränkungen oder eben gegen ein neues Versammlungsrecht. Es ist etwas ganz anderes, ob für oder gegen eine Sache körperlich eingestanden wird oder ob der Appell die Menschen nur via Bildschirm erreicht. Und dann im täglichen Informationsstrom achtlos weggewischt wird. Auch in einer modernen Informationsgesellschaft ist das Demonstrationsrecht nicht ein Relikt von gestern, sondern essenziell für die Mitwirkung der Menschen, für ihre kollektive Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess.