Auschwitz-Gedenkkonzert der Schumann-Gesellschaft Nervenaufreibend und hoffnungsvoll

Düsseldorf · Die Schumann-Gesellschaft erinnert mit einem Konzert an die Auschwitz-Befreiung vor 80 Jahren.

Die Musiker des 1988 gegründeten Minguet-Quartetts.

Foto: Irène Zandel

Es ist eine Wiederbegegnung der gespenstischen Art. Der „Wilde Reiter“, der in Robert Schumanns „Album für die Jugend“ noch hübsch harmonisch auf einem Steckenpferd hüpft, hetzt und keucht in Luca Lombardis zweitem Streichquartett vorwärts: eisig klirrend, gewaltsam verzerrt, von knallenden Zupftönen in den gestreckten Galopp gepeitscht. Das hoch expressive Werk erklingt am 27. Januar bei einem Gedenkkonzert, das auf Initiative der Robert-Schumann-Gesellschaft zustande kommt: auf den Tag genau 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.

„Warum?“, fragt dieses Streichquartett des italienisch-israelischen Komponisten im Untertitel. 2006 im Auftrag des inzwischen aufgelösten Nomos-Quartetts komponiert, entstand eine Partitur, die viele Verbindungen zu Schumanns Musik enthält. Das lässt sich auch an den Titeln der sieben Sätze ablesen. Lombardi, der in Rom auf eine deutsche Schule ging, arbeitete sich zugleich an der Frage ab, wie eine Kulturnation so tief in den Abgrund der Barbarei fallen konnte.

Die Intensität seiner Tonsprache ist außerordentlich. Mal blitzen Klänge so nervenaufreibend wie in Alfred Hitchcocks „Psycho“, mal rieseln Tremoli kalt und geisterhaft, mal stimmen die vier Streicher Klagegesänge an, tränenlos und tief. Wer Schostakowitschs Streichquartette liebt, wer etwas mit der Musik von Mieczysław Weinberg anfangen kann, muss sich vor Lombardi nicht fürchten. Er lernte von und mit den Größten: In den Kölner Kursen für Neue Musik studierte er gemeinsam mit Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel, Dieter Schnebel und Frederic Rzewski. An der Kölner Musikhochschule studierte er bei Bernd Alois Zimmermann und ging als Meisterschüler von Paul Dessau nach Berlin (Ost), wo er Kontakte zu Heiner Müller und zur Gruppe Neue Musik Hanns Eisler knüpfte.

Vorsitzender engagiert
das Minguet-Quartett

Schon oft hat das in Köln ansässige Minguet-Quartett, dessen zweite Geigerin in Düsseldorf lebt, Lombardis ausdrucksstarkes Werk mit dem Streichquartett op. 41/3 von Robert Schumann kombiniert. Albert Michael Tilmann, Vorsitzender der Robert-Schumann-Gesellschaft, fand das so sinnstiftend, dass er das Minguet-Quartett unbedingt für das Gedenkkonzert im Robert-Schumann-Saal gewinnen wollte. Mit Erfolg: Ulrich Isfort (Violine), Annette Reisinger (Violine), Aida-Carmen Soanea (Viola) und Matthias Diener (Violoncello) werden das Programm um 19.30 Uhr dort spielen (Karten über www.westticket.de).

Namenspatron des Quartetts ist Pablo Minguet, ein spanischer Philosoph des 18. Jahrhunderts, der sich in seinen Schriften darum bemühte, dem breiten Volk Zugang zu den schönen Künsten zu verschaffen. Das Minguet-Quartett fühlt sich in der klassisch-romantischen Literatur heimisch, hat aber immer wieder mit zeitgenössischen Komponisten gearbeitet, unter ihnen Wolfgang Rihm, Peter Ruzicka und Jörg Widmann. Der inzwischen 79-jährige Luca Lombardi und seine Frau werden für das Gedenkkonzert aus Rom anreisen. Die Stadt Düsseldorf und das Polnische Institut kooperieren.

Das Konzert im Robert-Schumann-Saal ist der Auftakt zur Veranstaltungsreihe „Düsseldorf erinnert – 80 Jahre Befreiung und Kriegsende“. Sie ruft zwischen 27. Januar und 8. Mai besondere Jahrestage ins Gedächtnis, von der Befreiung von Auschwitz bis zum Kriegsende. Vereine, Museen und Schulen beteiligen sich, auch die Fortuna, die einen Aktionsspieltag organisiert. Düsseldorfer Bezüge gibt es viele: So will Albert Michael Tilmann in seinem Grußwort an den letzten Rabbiner von Düsseldorf erinnern. Siegfried Klein, Doktor der Philosophie, wurde 1941 nach Lodz deportiert und später in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Über Lombardis Streichquartett äußert sich der Vorsitzende der Robert-Schumann-Gesellschaft tief beeindruckt. Dass der letzte Satz den Titel „Shalom“ trägt, habe ihn „regelrecht umgehauen“, sagt er. Lombardi schrieb dazu im September 2018: „Eines Tages muss und wird es Frieden geben. Ich will trotz allem daran glauben.“

(dem w.g.)