Stadtmuseum Düsseldorf zeigt Retrospektive auf das Schaffen des Wagenbauers Jacques Tilly Karnevalssatire mit „Kawupptizität“

DÜSSELDORF · Russlands Präsident Wladimir Putin liegt in einer riesigen Badewanne und nimmt ein Blutbad. Die angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine leider immer noch aktuelle Großplastik des Karnevals-Wagenbauers Jacques Tilly aus dem Rosenmontagszug 2023 ist eines der Highlights einer neuen Ausstellung im Düsseldorfer Stadtmuseum.

„Freigeist“ Jacques Tilly, hier vor seiner Großplastik des Gesundheitsministers Karl Lauterbach, ist reif fürs Museum.

Foto: dpa/Oliver Berg

Gezeigt wird eine Retrospektive auf das Schaffen des Düsseldorfer Künstlers. Seine Arbeiten schmücken alljährlich die Titelseiten auch der Weltpresse – wenn einen Tag zuvor der Karnevalszug durch die Straßen gerollt ist. Bei der Pressekonferenz am Freitag erzählte Tilly, dass Helmut Kohl indirekt „schuld“ daran war, dass sich die Düsseldorfer Mottowagen in ihrer Bissigkeit so abheben von denen anderer Karnevalsumzüge. Es hatte eine einstweilige Verfügung des früheren Bundeskanzlers gegeben: gegen eine Großplastik, die Kohl nackt und mit kleinem Geschlechtsteil darstellte. Wind davon hatte Kohl bekommen, weil damals – wie es heute noch in anderen Karnevalshochburgen der Fall ist – die Wagen schon vor Rosenmontag präsentiert wurden. Per gerichtlichem Eilverfahren setzte Kohl durch, dass der Wagen so nicht gezeigt werden dürfe.

Doch Schlitzohr Tilly fand einen Ausweg. Er besorgte in einem Gartencenter Grünzeug, mit dem das Geschlecht des Kanzlers bedeckt wurde. „Die Büsche waren aber leider“, so sagt es Tilly augenzwinkernd, „nicht befestigt, als der Wagen losrollte. Sie fielen ab, und so ging die einstweilige Verfügung des Kanzlers ins Leere“. Folge des Rechtsstreits war indes, dass seit dem Jahr 2000 strikte Geheimhaltung gilt. Niemand bekommt die Wagen vor dem Rosenmontag zu Gesicht. Tilly freut sich, dass die Düsseldorfer Karnevalisten so angstfrei an die Sache herangehen. Das garantiere, „dass der Düsseldorfer Karneval seine Härte, sein Kawupptizität hat“, wie er es nennt. Deshalb sei er immer noch motiviert. Er werde noch ein paar Jahre weitermachen, verspricht der 61-Jährige.

In der Ausstellung sind zahlreiche großformatige Fotos der Kunstwerke zu sehen, aber auch diverse kleine und große Plastiken. Sahra Wagenknecht, Donald Trump, Karl Lauterbach, Olaf Scholz sind mit dabei und bekommen ihr Fett weg. Ein Genuss all das mal nicht nur im vorbeirollenden Karnevalszug, sondern ganz aus der Nähe zu erleben. Unter den knapp 500 Exponaten finden sich auch erste künstlerische Gehversuche aus Tillys Jugend. Viele Werke inklusive der Großplastiken sind übrigens nach Ende der Ausstellung im August käuflich zu erwerben. Der Preis ist Verhandlungssache. Wer sich also einen Donald Trump oder den blutbadenden Putin ins (große) Wohnzimmer stellen möchte...

Auf eine Journalistenfrage, ob es nicht seltsam sei, dass der doch so kritische Satiriker kürzlich von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst einen Verdienstorden annahm und ob das nicht eine Art Seitenwechsel sei, wird Tilly nachdenklich. Gewiss, er sei in den 1980er Jahren sozialisiert worden – in der Zeit der alternativen Bewegung, in der man prinzipiell gegen sehr Vieles gewesen sei. Gegen Atomkraftwerke, gegen die CDU, überhaupt gegen das System. „Doch jetzt erleben wir von rechtsextremer Seite einen Generalangriff auf unsere demokratischen Werte, auf unseren bürgerlichen Verfassungsstaat, auf die offene Gesellschaft. Daher haben viele Satiriker die Seiten gewechselt. Wir stehen vor unserem System und verteidigen es. Wir sind von der Angreifer- in die Verteidigerrolle gewechselt und wehren uns gegen totalitäre Angriffe – weltweit.“

Gleich am Eingang der Ausstellung hängt eine große Tafel. Darauf die handgeschriebenen zehn Gebote, mit denen der Künstler sich und sein Team diszipliniert. Drei seien hier verraten: „Regel 3: Die Pointe muss sofort verstanden werden, und zwar von Menschen jedes Bildungsgrads. Regel 8: Verhöhne die Täter, nicht die Opfer, manche Menschen sind aber beides. Regel 9: Geschmacksgrenzen werden nur überschritten, wenn’s der Wahrheitsfindung dient.“

Eröffnung der bis zum August laufenden Ausstellung „Jacques Tilly, Freigeist“ ist am Sonntag, um 11 Uhr, im Stadtmuseum Düsseldorf, Berger Allee 2.