Psychisch Kranke Fotoprojekt soll ihre Sicht zum Gesprächsthema machen
Für den Aktionstag Inklusion im September sind drei Bewohner der Wohnstätte „Die Kette“ auf Entdeckungstour durch Hilgen gezogen.
Burscheid. Saso Marceski hat einen Traum: dass es eines Tages möglich ist, ohne schlechtes Gewissen oder Scham sagen zu können, dass man psychisch krank ist. Ihm ist klar: Dagegen stehen Unsicherheit und Angst, nicht nur bei den Kranken selbst, sondern auch bei denen, für die psychische Erkrankungen noch viel weniger fass- und vorstellbar sind als körperliche Behinderungen. Aber trotzdem sucht der 43-Jährige weiter nach Wegen, um seinem Traum näherzukommen.
Marceski weiß, wovon er redet. Er ist selbst psychisch krank. Seit dreieinhalb Jahren lebt er in der Wohnstätte des Vereins „Die Kette“ in Hilgen. Er ist Heimsprecher, engagiert sich im Runden Tisch für Menschen mit Behinderung. Und er setzt seine Hoffnungen auf den Aktionstag Inklusion, der für den 19. September in der Stadtbücherei geplant ist. Denkanstöße, Kontakte, neue Netzwerke sollen davon ausgehen.
Marceski und seine Mitbewohner Tomasz Bak (39) und Andreas Beierle (51), beide Mitglieder im Behindertenbeirat, haben selbst einen Beitrag dafür geleistet. Auf Anregung der Beiratsvorsitzenden Ute Gagaridis machten sich die drei auf den Weg durch ihren Stadtteil und ließen sich an Orten fotografieren, die ihnen am Herzen oder aber auf dem Magen liegen. Das Ergebnis wird mit Erläuterungen am 19. September ausgestellt.
Eigentlich, so findet das Trio, lässt es sich in Hilgen schon gut aushalten. Sie schwärmen von netten Einzelhändlern wie dem Blumenladen Hammerschmidt oder der Bäckerei Kretzer. Sie freuen sich, wenn sie gegrüßt und erkannt werden und wenn am Brunnen der Maibaum oder der Weihnachtsbaum aufgerichtet werden. Zu dritt sind sie auch in der Gemeinde Hilgen-Neuenhaus aktiv, helfen am Waffelstand und nehmen am Männerkreis teil. Und Andreas Beierle verpasst bei gutem Wetter kaum eines der sonntäglichen Oldtimertreffen am alten Hilgener Bahnhof.
Aber an Kleinigkeiten merken sie dann doch, dass ihre Wohnstätte trotz des schon 15-jährigen Bestehens noch nicht in allen Köpfen angekommen ist. Veranstaltungsplakate werden dort nur selten ausgehängt, manchmal wissen die drei gar nicht, was gerade los ist in ihrem Ort. Und negativ verbucht haben sie auf ihrer Tour die Baustelle auf der B 51 und dass es derzeit in Hilgen keine öffentliche Toilette gibt. Damit sind sie gleich mitten in der aktuellen kommunalpolitischen Diskussion um Kiosk und WC-Anlage auf dem Raiffeisenplatz.
Dass sie zum Leben in Hilgen auch etwas zu sagen haben, soll mit ihrer Ausstellung sichtbar werden. Darum geht es ja, am 19. September und auch sonst beim Thema Inklusion, „dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Rechte haben“, sagt Tomasz Bak.
Er und seine beiden Mitstreiter sind seit Jahren symptomfrei. Eines Tages, so ist das Ziel, sollen sie die Wohnstätte wieder verlassen und selbstständig leben. Und vielleicht ohne Scham sagen können: Ich war psychisch krank.