Sommerserie Berühmte Wallfahrt am Niederrhein

Köln · Seit dem Jahr 1642 pilgern Menschen aus aller Welt zum berühmten Gnadenbild im Marienwallfahrtsort Kevelaer am Niederrhein. Mit dem Zug erreicht man die unweit der niederländischen Grenze gelegene Stadt im Kreis Kleve von Köln in knapp 90 Minuten.

Der Kapellenplatz mit der Gnadenkapelle und der Wallfahrtsbasilika St. Marien.

Foto: step/Eppinger

Vom kleinen Bahnhof geht es zu Fuß in etwa 15 Minuten gemütlich ins Zentrum, wo in der Gnadenkapelle das Heiligtum der „Trösterin der Betrübten“ präsentiert wird.

Die Geschichte des Marienwallfahrtsortes beginnt im Dreißigjährigen Krieg. Am 1. Juni 1642 wurde das kleine Bild, ein in Antwerpen gefertigter Kupferstich, der die „Trösterin der Betrübten“ mit dem Jesuskind auf dem linken Arm vor dem Hintergrund der Stadt Luxemburg darstellt, in einem Bildstock am Weg eingesetzt. Dessen Standort befand sich an der alten Handelsstraße Köln-Amsterdam, der heutigen B 9. Über Nimwegen war diese ein Verbindungsweg zwischen Rhein und Maas.

Die Geschichte der Stadt
reicht bis in die Eisenzeit zurück

An diesem Ort hört der Hendrick Busman, ein Händler aus Geldern, kurz vor Weihnachten 1641 dreimal den geheimnisvollen Ausruf „An diesem Ort sollst du mir ein Kapellchen bauen“. Nachdem seine Ehefrau Mechel bei Nacht ein großes glänzendes Licht gesehen hatte, in dessen Mitte sich ein Heiligenhäuschen mit einem Andachtsbild befand, baut Busman den Bildstock, der am 1. Juni 1642 vom Pfarrer von Kevelaer geweiht wurde.

Die Geschichte der Stadt reicht aber deutlich weiter zurück. Die ersten Zeugnisse für eine Siedlung an diesem Ort gehen bis in die spätere Eisenzeit zurück. Eine erste schriftliche Nachricht über die Bewohner gibt der römische Feldherr Julius Caesar in seiner Beschreibung des „Gallischen Krieges“, indem er den keltisch-germanischen Volksstamm der Menapier in Gallien erwähnt. Die Gründung des Ortes selbst erfolgt in der Merowingerzeit, wie Ausgrabungen belegen. Urkundlich erwähnt wird Kevelaer erstmals im Jahr 1300.

Das Zentrum der Wallfahrt in der Stadt am Niederrhein besteht aus einem größeren Gebäudeensemble auf und rund um den Kapellenplatz. Im Zentrum steht dabei die barocke Gnadenkapelle. Der sechseckige Kuppelbau wurde 1654 auf einem von Linden bestandenen Platz errichtet, an dem sternförmig mehrere Straßenzüge münden.

Sie wurde um den Bildstock als Heimat des berühmten Gnadenbildes gebaut. Dieses ist gerade einmal 7,5 mal 11 Zentimeter groß und trägt die Jahreszahl 1640. Es befindet sich in einem goldenen und mit reichlich Schmuck ausgestatteten Rahmen. Das Gnadenbild selbst stammt von Soldaten, die es bei sich trugen und die es 1641 an Busman verkauften. Zu sehen ist es durch eine portalartige, große Fensteröffnung. Reich ausgestattet ist auch der Innenraum der Kapelle. Die heutige künstlerische Ausgestaltung erfolgt erst ab 1888.

Die eigentliche Wallfahrtskirche ist die barocke Kerzenkapelle direkt nebenan. Sie wurde zwischen 1643 und 1645 von Henrik van Arssen errichtet. Schutzpatron der einschiffigen Kirche ist der Erzengel Michael. In der Kapelle finden sich zahlreiche Wallfahrtskerzen, Kerzenschilder und Prozessionstafeln mit den Wappen der Herkunftsorte der Pilger in Deutschland und den Beneluxstaaten. Zu den Besonderheiten der Kapelle zählt die Orgel, die ursprünglich im 19. Jahrhundert vom Orgelbauer Wilhelm Rütter errichtet worden ist. Die heutige Seifert-Orgel ist eine Rekonstruktion der ehemaligen Rütter-Orgel.

Von Weitem sichtbar ist der Turm der Wallfahrtsbasilika St. Marien. Das Gebäude aus dunkelrotem Klinker mit hellen Tuff- und Sandsteineingliederungen wurde zwischen 1858 und 1864 errichtet und verfügt über eine prächtige Innenausstattung. Direkt an die Basilika grenzen rund um den schönen Brunnenhof die Sakramentskapelle, die Tauf- und Beichtkapelle sowie die Paradiesvorhalle, der heutige Klostergang mit den Beichtzimmern und das Priesterhaus.

In der Nähe hat zudem die orthodoxe Johanneskapelle ihre Heimat gefunden. Am Kapellenplatz befinden sich auch das Wallfahrtszentrum sowie zahlreiche Läden, die Kerzen, Schnitzereien und weitere Produkte für die Pilger verkaufen. Einen Besuch wert ist außerdem die St. Antonius-Kirche unweit des Bahnhofs, die alte Kevelaerer Pfarrkirche mit einer Pietà aus dem Jahr 1380. In der Stadt findet sich am St. Klara-Platz eine große parkartige Kreuzweganlage, deren Besuch zu einem Wallfahrtstag gehört.

Die erste Prozession nach Kevelaer kam 1643 aus der benachbarten Stadt Rees. Zahlreiche Pilger kommen bis heute jedes Jahr aus Deutschland und benachbarten Ländern wie den Niederlanden oder Belgien zur Wallfahrt nach Kevelaer. Die meisten Prozession halten in der Kerzenkapelle, als der eigentlichen Wallfahrtskirche, ihren Einzug. Zu den besonders großen Wallfahrten zählt die der Tamilen, die mit rund 10.000 Gläubigen in traditionellen Gewändern im August nach Kevelaer kommen. Zu den Gästen in Kevelaer zählten auch schon Papst Johannes Paul II., Mutter Teresa und Josef Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI.