Buchtipps Wenn der Erzbischof seine eigene Kirche verlässt
Köln · Nach einem traumatischen Flugzeugabsturz verlässt der Starfighter-Pilot Stefan Riemstedt, die Bundeswehr und entschließt sich für einen neuen Weg als Theologe und Pfarrer. Schnell steigt der junge Geistliche bei der katholischen Amtskirche auf und wird schließlich dank erzkonservativer Kräfte in der katholischen Kirche zum Erzbischof und zum Kardinal.
Wirklich glücklich ist der hohe geistliche Würdenträger mit seinem Leben aber nicht. Er erkennt die Machenschaften seiner Unterstützer, die unter allen Umständen die katholischen Traditionen und Regeln bewahren und verteidigen wollen. So zweifelt Reimstedt an seinen seelsorgerischen Aufgaben und seiner täglichen Arbeit, weil sich dort stetige Widersprüche und Lügen auftun, die er persönlich mit seinem Gewissen als gläubiger Christ nicht mehr vereinbaren kann.
Endgültig bricht der Konflikt in ihm auf, als er vom mutmaßlichen Selbstmord eines jungen Priesters erfährt, der vom Küster aufgehängt in der Sakristei seiner Kirche gefunden wird. Lukas Gönnefried war in seiner Gemeinde sehr beliebt, obwohl bekannt war, dass er eine homosexuelle Beziehung zu einem Mann aus dem Gemeindevorstand hat.
Bei den Mächtigen des Erzbistums löst der Tod des jungen Pfarrers Angst vor einem Supergau für die Kirche aus. Für den Kardinal ist es die Chance, endlich aus seinem Amt auszusteigen und reinen Tisch zu machen. Er nimmt ein Video mit einer brisanten Botschaft auf und taucht direkt danach unter. Doch das Video fällt dem Pressechef des Erzbistums und seinem persönlichen Referenten in die Hände und wird prompt entschärft.
Für Riemstedt gibt es aber kein Zurück mehr. Er legt seine Amtskleidung ab und begibt sich in zivil ins Nachtleben seiner Stadt, die er in Freizeitkleidung ganz neu für sich entdeckt. In der Nacht begegnet er der jungen Studentin Kathie Stark, die sich politisch sehr engagiert und die sehr darunter leidet, dass ihr Bruder Carsten in rechtsextremen Kreisen aktiv ist. Der geheimnisvolle Fremde fasziniert sie dagegen, wegen seiner persönlichen Tiefe und seines seiner ungewöhnlichen Lebensgeschichte.
Derweil hat sich der Boulevardreporter Björn Legemann den Skandal in der katholischen Kirche in den Fokus genommen, weil er dahinter die ganz große Story für seine Zeitung vermutet. Dafür gibt ihm auch der Geliebte des toten Pfarrers, Robin Leitner, Futter, der die katholische Kirche beschuldigt, für den Tod von Lukas verantwortlich zu sein. Denn schon bald wird klar, dass der Priester ermordet worden ist.
Dem Mörder auf der Spur ist auch Kriminalhauptkommissar Bernd Stoecker mit seinem Team. Er bekommt von seinem Chef mächtig Druck, der am liebsten den Geliebten des Pfarrers als Mörder verhaften würde. Denn Kessler ist nicht nur für seine Homophobie bekannt, sondern hat auch den direkten Draht zu den hohen und erzkonservativen Kreisen in der Amtskirche um Monsignore Martin Renzo, mit denen er einer Meinung ist.
Derweil kommt Legemann als Journalist einem Geheimnis auf die Spur, dessen Dimensionen für die Kirche weit bedrohlicher sind als der Mord an einem schwulen Priester. Leitner verrät ihm bei einer weiteren nächtlichen Begegnung, dass sich eine große Gruppe von Priestern zusammengeschlossen hat, um ihre intimen Beziehungen zu offenbaren und um gegen den Zölibat zu demonstrieren. Am Johannistag, dem Tag der Liebe, will man unter dem Namen „Revelatio“ auf die Straße gehen, um einer neuen Zeit endlich den Weg zu ebnen.
„Revelatio“ ist auch der Titel des Debütromans der Kölner Autorin Birgitt Schippers, die mit ihrer „wahrscheinlichen Geschichte“ tiefe Einblicke hinter die Kulissen der katholischen Kirche geben möchte. Dabei bleibt das Geschehen und dessen Ort ganz bewusst fiktiv. Neu ist die Perspektive der Geschichte der langjährigen Redakteurin des Kölner Domradios, die sich fragt, was passiert, wenn eine geistliche Führungskraft plötzlich an sich zweifelt und bereit ist, aus dem katholischen Kirchenkosmos für immer auszusteigen.
Birgitt Schippers: Revelatio - ein Kardinal steigt aus, Verlag Ralf Liebe, 258 Seiten, 20 Euro