Geschichte „Eindeutige Parallelen zu Weimar“
Köln · Während der Weimarer Republik entwickelte sich Köln schnell zu einer modernen und lebendigen Metropole. Die schweren Zeiten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs waren schon bald überwunden und die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung arrangierte sich in Köln wie im gesamten Reich, spätestens nach dem gescheiterten Kapp-Putsch 1920, mit der neuen, demokratischen Ordnung, die mehr Wohlstand und Stabilität verhieß.
Das preußische Dreiklassenwahlrecht wurde abgeschafft und Frauen erhielten erstmals das Wahlrecht. Die SPD zog in den Kölner Stadtrat, wo das katholische Zentrum mit seinem Oberbürgermeister Konrad Adenauer die stärkste Kraft war. Auch wenn radikale Kräfte wie die KPD und die NSDAP in den Rat einzogen und bei hitzigen Debatten auch schon einmal ein Glas durch den Saal flog, fand man doch zunächst immer wieder Kompromisse.
Die Rolle von Oberbürgermeister Konrad Adenauer in Köln
Das war häufig auch Adenauer selbst zu verdanken, der sich als geschickter Vermittler erwies. Dass der spätere Bundeskanzler Köln mit dem Bau der Messe, der Mülheimer Brücke, der Universität und des Flughafens im Alleingang umgekrempelt hat, entspricht nach den Recherchen des Düsseldorfer Historikers Christoph Nonn für den gerade veröffentlichten elften Band zur Kölner Stadtgeschichte nicht der Realität, sondern eher dem eigenen Narrativ des Oberbürgermeisters. Adenauer war vielmehr ein geschickter Moderator zwischen den verschiedenen Kräften und Institutionen, was die Stadt letztlich voranbrachte.
Nonn, als Professor für Neueste Geschichte an der Heine-Uni tätig, war es wichtig, die Geschichte Kölns in der Weimarer Republik zwischen 1918 und 1933 nicht nur aus der Perspektive der gesellschaftlichen und politischen Eliten zu erzählen. Auf den gut 500 Seiten geht es vielmehr um das Leben der Menschen in der Domstadt, um ihren Alltag bei der Arbeit und in der Freizeit mit Kultur, Karneval und Kirche.
Das verändert zum Beispiel auch den Blick auf die Folgen der Inflation in Köln, als im Jahr 1923 ein Kilo Brot in der Domstadt mehr als eine Billion Mark kostete und Menschen teilweise ihre kompletten Ersparnisse verloren. „Die Inflation hat aber nachweislich die Masse der Industriearbeiter nicht ins Elend gestürzt. Wer wenig oder gar nichts Erspartes hatte, hatte auch wenig zu verlieren gehabt. Das war beim gehobenen Bürgertum ganz anders und das bestimmt die meisten überlieferten Quellen aus der Inflationszeit, was das Bild darüber verfälscht hat“, sagt Nonn, der für sein Buch intensiv nach Quellen zum Alltag der „kleinen Leute“ geforscht hat.
So erkennt Nonn auch, dass Köln in den 1920er und frühen 1930er Jahren eine „extrem moderne Großstadt mit einem sehr trendigen Lifestyle“ war. „Es gab tolle Kinos, spannende Museen und viel weniger Autoverkehr als heute. Architektonisch und städtebaulich war Köln eine wunderbare Stadt, die sich mit ihrem großstädtischen Flair in den 1920er Jahren klar von anderen Regionen in Deutschland unterschied.“
Dementsprechend wuchs die Wirtschaft im Schatten des Doms stetig und die Kölner genossen wieder ihren Karneval und die Kultur, wie zum Beispiel die steigenden Besuchszahlen der Kinos und der Bühnen zeigen. Der neue Flughafen am Butzweiler Hof wurde rege genutzt, bis 1932 wurden dort weit über 100.000 Fluggäste gezählt. Auch der Straßenverkehr wuchs in Köln kräftig.
Lange hatte die rechtsradikale NSDAP in der Domstadt nur wenig Bedeutung. Das änderte sich erst nachhaltig mit der Weltwirtschaftskrise 1929. Die radikalen Kräfte wurden vor allem durch die Unfähigkeit der demokratischen Parteien zu Kompromissen und zur Kooperation sowie durch das fehlende Engagement der Bürgerschaft gestärkt. Denn wenn die passive, schweigende Mehrheit dem Treiben extremistischer Kräfte nur zuschaut, kann eine Demokratie letztlich nicht überleben, wie Nonn betont.
Damit sei die Geschichte der Weimarer Republik und ihres Untergangs heute aktueller denn je, weil die Zustimmung zu extremen Kräften wie der AfD im Moment wieder wachse. Diese würden ihren Wählern das Blaue vom Himmel versprechen. „Lange war der Vergleich der Weimarer Zeit mit der Bundesrepublik eher akademisch geprägt, da man die Demokratie für viel zu stabil hielt. Das war eine Illusion. Es gibt für nichts eine Ewigkeitsgarantie. Also lohnt sich der Blick auf Weimar. Und die Parallelen sind eindeutig“, erklärt Nonn in einem Interview zum neuen Band der Kölner Stadtgeschichte.
Christoph Nonn: Köln in der Weimarer Republik, 1918-1933; Greven Verlag, 506 Seiten, 60 Euro