Brennpunkte in Düsseldorf Auch Bedürftige sind Nachbarn
Düsseldorf · Mit Drogensüchtigen und Obdachlosen gibt es an der Roßstraße zunehmend Probleme. Deshalb beginnt die Katholische Kirche das Projekt „Wachsende Nachbarn“.
Die Stimmung ist ausgelassen beim Frühstück im Pfarrsaal der St. Adolfus-Kirche an der Kaiserswerther Straße. Man könnte meinen, alle kennen sich schon ewig, dabei ist eher das Gegenteil der Fall. Seit August bietet die Katholische Kirche diesen Termin an jedem letzten Freitag im Monat an, es soll die Nachbarschaft aber auch gezielt Bedürftige ansprechen, denn direkt nebenan ist die Notschlafstelle der Franzfreunde.
Es wird an diesem Morgen viel Polnisch gesprochen, es gibt keine Berührungsängste. Gerade denen, die nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens stehen, soll das niedrigschwellige Frühstücksprojekt „Wachsende Nachbarn“ auch dazu dienen, sich auszutauschen, Unterstützung und Beratung zu finden. Dazu zählen durchaus auch vereinsamte Senioren, die sich sonst kaum noch vor die Tür trauen. Denn man muss keineswegs meinen, dass etwa ein so vermeintlich hipper Stadtteil wie Pempelfort nicht auch Elend und Einsamkeit kennt.
Initialzündung für die Initiative war der Zustand an der Roßstraße im Umfeld der Herz-Jesu-Kirche. Direkt gegenüber gibt es eine Methadon-Ambulanz, unweit entfernt liegt das ehemalige Finanzamt, das seit Jahren leersteht, der Vorplatz gilt als Treffpunkt für die Trinker- und Drogenszene. Eltern der Kita St. Michael nahe der Kirche haben zuletzt davon berichtet, dass in den Beeten Spritzen gefunden worden seien, dass Obdachlose auf dem ebenfalls nahen Frankenplatz direkt am Spielplatz ihr Nachtlager aufgeschlagen hätten, dass es in Derendorf bald nicht besser sei als auf dem Worringer Platz oder dem Karl-Wagner-Platz in Flingern.
Einer, der sich dieser Problematik erstens bewusst ist und der zweitens konkrete Maßnahmen eingeleitet hat, ist Diakon Andrés Cornejo, der ursprünglich aus Santiago de Chile stammt.
Cornejo will niemanden vertreiben, setzt auf Vernetzung
„Ich unternehme regelmäßig Rundgänge um die Herz-Jesu-Kirche, um die Situation vor Ort zu beobachten und mit den Personen, die sich auf unserem Gelände aufhalten, ins Gespräch zu kommen. Dabei ist es mir wichtig, den betroffenen Menschen mit Würde und Respekt zu begegnen, während die Sicherheit unserer Kinder und der Nachbarschaft natürlich stets gewährleistet sein muss. Wenn ich die Personen bitte, das Kirchengelände zu verlassen, reagieren sie stets friedlich und verständnisvoll“, sagt er. Er ist auch regelmäßig in Kontakt mit der Polizei und dem Ordnungsamt, das mittlerweile verstärkt Kontrollen in der Umgebung durchführen würde.
Cornejo ist überzeugt, dass ein wesentlicher Teil der Probleme durch das seit Jahren zunehmend verfallene Gebäude des alten Finanzamts entstehe, das nun mal zahlreiche Personen aus der Szene anzieht. Er hat sich daher bemüht, Kontakt zum Eigentümer, dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB), zu knüpfen – und der Geistliche fand Gehör. Er traf sich jetzt mit BLB-Vertretern vor Ort. „Das Gespräch war konstruktiv. Das Gebäude selbst sei demnach stark sanierungsbedürftig, derzeit liegt der Fokus offenbar noch auf dieser Problematik. Eine endgültige Entscheidung über die künftige Nutzung des Gebäudes stehe jedoch noch aus“, berichtet Cornejo. Und: „Ich habe die Vertreter gebeten, mit dem Ordnungsamt Kontakt aufzunehmen, um angesichts der Situation vor Ort deeskalierend einzuwirken. Laut ihrer Aussage hat der BLB das bereits gemacht.“ Man bleibe nun im Austausch, um weitere Schritte zu erörtern.
Cornejo will auf jeden Fall niemanden vertreiben, setzt stattdessen auf Vernetzung und der Frage, „was können wir den Bedürftigen konkret anbieten?“. Damit liegt er auf einer Linie mit den Franzfreunden als Kooperationspartner. Stephanie Ferlings, bei den Franzfreunden als Abteilungsleiterin für Streetwork und die Notschlafstelle zuständig, sagt: „Der jetzige Zustand bildet die Realität und einen Querschnitt der Gesellschaft ab, zu der nun mal auch Drogensüchtige zählen, die man nicht einfach ausgrenzen kann.“ Auch in der stets bis auf den letzten Platz gefüllten Notunterkunft gebe es hin und wieder Personen, die auffällig seien, „das ist aber eher die Ausnahme“.