Bühne „Cabaret“: Unterhaltung mit Haltung

Köln · „Willkommen, Bienvenue, Welcome!“, mit diesen drei Worten startete vor fast 60 Jahren das legendäre Musical „Cabaret“ vom New Yorker Broadway aus seinen weltweiten Siegeszug. Die mit acht Oscars prämierte Verfilmung durch Bob Fosse machte Liza Minnelli zum Superstar.

Das Musical „Cabaret“ kommt von Hamburg in die Kölner Philharmonie.

Foto: BB/Kerstin Schaumburg

In der gefeierten Inszenierung des Hamburger St.-Pauli-Theaters hat der Chansonnier Tim Fischer unter der Regie von Ulrich Wall und Dania Hohmann die Rolle des düster-schillernden Conférenciers übernommen und begrüßt seine Gäste im verruchten Kit Kat Club.

Seit über 30 Jahren begeistert Fischer mit seinen Konzertabenden auf Kleinkunstbühnen sowie in großen Konzert- und Opernhäusern sein nationales und internationales Publikum. Im Laufe seiner Karriere wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Im Kinofilm „Deux“ spielte Fischer an der Seite von Isabelle Huppert und war auch in der erfolgreichen Serie „Babylon Berlin“ sowie in Leander Hausmanns „Herr Lehmann“ zu sehen.

„Cabaret“ geht
erstmals auf Tour

Nun geht das Hamburger Musical erstmals auf Tour und wird neben einem Gastspiel in der Staatsoper Hannover vom 31. Juli bis zum 4. August im Rahmen des Kölner Sommerfestivals auch in der Kölner Philharmonie zu sehen sein. „Ich habe die Philharmonie bereits bei einem eigenen Konzert erlebt. Das Haus ist gigantisch groß und bleibt trotzdem intim. Von der Bühne aus kann man noch bis in die letzte Reihe sehen und ist so seinem Publikum immer sehr nahe. Dazu kommt die großartige Akustik, das wird ein klangliches Erlebnis für das gesamte Ensemble“, sagt Fischer bei einem Kurzbesuch in Köln.

Auch ansonsten hat der Chansonnier eine gute Beziehung zur Domstadt: „Ich freue mich, jetzt mit ‘Cabaret’ jetzt wieder hier zu sein. Ich schätze das Kölner Publikum sehr. Zuletzt war ich meist im Kölner Gloria. Ich kenne aber auch noch aus früheren Zeiten das Senftöpfchen noch gut und war außerdem häufiger bei Alfred Biolek in Köln zu Gast. Ich habe ansonsten viele Freunde in Köln. Für den Sommer rechne ich mit einer vollen Hütte. Dieses Musical ist eine gute, hochgelobte Produktion, damit können wir uns hier wirklich blicken lassen“, erklärt Fischer.

Die 1920er Jahre, in denen „Cabaret“ mit seinem Kit Kat Club spielt, könne man nicht mit den 20er Jahren von heute vergleichen. „Man spricht ja auch gerne von den ‚Goldenen 20er Jahren’, das galt damals aber nur für eine kleine Gruppe. Die 1920er Jahre waren eine leidgeprüfte Zeit. Der Erste Weltkrieg lag hinter den Menschen und die Welt steuerte mit dem aufkommenden Nationalsozialismus gerade auf die nächste Katastrophe zu. Heute im Rückblick schauen wir auf dieses Drama natürlich aus einer ganz anderen Perspektive.”

Während sich beim weltberühmten Film mit Liza Minnelli alles um Sally, den Star des Kit Kat Clubs, dreht, legt das Hamburger Musical den Fokus auf andere Personen des Stücks. „Bei uns steht die sich anbahnende Liebe zwischen der Pensionswirtin Fräulein Schneider und dem jüdischen Gemüsehändler Herrn Schultz im Mittelpunkt. Unser Publikum fiebert mit diesem Liebespaar mit, das nicht zueinander kommen kann, weil der Nationalsozialismus immer mehr die Überhand gewinnt und sich die Pensionswirtin fragen muss, ob sie sich in diesen Zeiten so eine Liebe überhaupt noch leisten kann. Sally ist bei uns dagegen eine abgehalfterte Clubsängerin, die nur Interesse an der eigenen Karriere hat und die sich in den Schriftsteller Cliff verliebt.“

Über seine eigene Rolle als Conférencier sagt Tim Fischer: „Er ist ein Mensch, der sich wie eine sich ständig häutende Schlange durch den Club bewegt und der so nicht zu fassen ist. Er weiß nicht, ob er die Menschen mag, und verkauft Kunst als Droge noch in den aufziehenden Krieg hinein. Natürlich geht es bei ‚Cabaret‘ um Unterhaltung, die aber mit Haltung daherkommt. Das sind Ansätze, die heute noch genauso ihre Gültigkeit haben. Es geht um Zivilcourage und darum, den Mund aufzumachen, wenn das nötig ist. Insofern kann das Stück für die Menschen von heute durchaus ein Denkanstoß sein.“

Eigentlich ist der erfahrene Chansonnier selbst kein großer Musicalfan, doch von der Hamburger Inszenierung von „Cabaret“ ließ er sich schnell überzeugen: „Mich hat diese alte, wunderbar und ideenreich inszenierte Geschichte mit all ihrer Dynamik wirklich gereizt. Es ist ein sehr vielschichtiges Stück mit Tiefe, bei dem es auch nachdenkliche Momente, wie bei meinem Lied ‚Nichts berührt mich‘ gibt. Es ist ein Lied, das bei den ‚Cabaret‘-Inszenierungen eher selten zum Einsatz kommt. Es dreht sich alles um die große Leere, welche der Conférencier in sich fühlt. Ihn berührt nichts mehr, nichts tut ihm mehr weh. Diese eigene Gefühllosigkeit macht ihm zu schaffen, darum geht es in diesem tollen Lied. Aber eigentlich sind alle Songs dieses Musicals großartig“, schwärmt Fischer.

Service: Das Musical „Cabaret“ ist vom 30. Juli bis zum 4. August zu Gast beim Kölner Sommerfestival in der Philharmonie. Vorstellungen: Di-Sa 20 Uhr, Sa auch 15 Uhr, So 14+19 Uhr. Die Karten gibt es ab 69,90 Euro unter Telefon 0221/280280 oder online: