Buchtipp „Musik ist der Schlüssel zu allem“

Köln · Schon als Kind hat der Kölner Autor und Musiker Eric Pfeil seine Liebe zu Italien und zur Musik des Landes entdeckt. In seinem neuen Buch „Ciao Amore, Ciao“ führt er seine Leser mithilfe von 100 Liedern bekannter Stars wie Milva, Gianni Nannini oder Adriano Celentano durch Italien.

 Der Kölner Autor und Musiker Eric Pfeil kommt seit seiner frühesten Jugend regelmäßig nach Italien.

Der Kölner Autor und Musiker Eric Pfeil kommt seit seiner frühesten Jugend regelmäßig nach Italien.

Foto: Alfred Jansen

Wie entstand die Idee zu Ihren beiden musikalischen Italien-Bücher?

Eric Pfeil: Seit meiner frühesten Jugend war ich mit der Familie in Italien und die Liebe zum Land und seiner Musik ging bis heute nicht mehr weg. Der Erstkontakt war eine Rom-Reise Anfang der 80er: meine Eltern, damals überzeugte SPD-Wähler, gingen mit mir auf eine von der Bergisch Gladbacher CDU initiierte Busreise nach Rom, Wolfgang Bosbach leitete die Unternehmung. Für mich war Italien damals mit 12, 13 eine Art Disneyland, wo immer die Sonne scheint und wo an jeder Ecke ein Prachtbau steht. Bei späteren Reisen habe ich dann die Widersprüche und Abgründe kennengelernt. Diese konnte ich erst mithilfe der italienischen Musik verstehen, sie ist der Schlüssel und bietet Antworten auf alle Fragen. Bei unseren Urlaubsreisen in den 80ern gab es den großen Boom um die italienische Popmusik, mit der man auch den Urlaub verlängern konnte. Mein Vater hat dazu immer die aktuelle Top-20-Platte gekauft. Der Italo-Pop hat das etwas, das die angloamerikanische Musik so nicht bieten kann.

Besonders fasziniert hat Sie wohl Adriano Celentano, er kommt sehr oft im Buch vor.

Pfeil: In diesen Künstler war ich direkt schockverliebt, er hat mich alleine mit seiner Physis begeistert. Zunächst kannte ich seine populären Filme, später habe ich ihn auch als Musiker kennengelernt. Weil ich seine Songtexte verstehen wollte, habe ich Italienisch gelernt. Er hat dem Land immer seine Meinung gegeigt und tut das auch noch heute mit über 80 Jahren. Er steht Pars pro Toto für sein Land, das viele Widersprüche in sich bündelt. Hier entstehen alle Probleme früher als anderswo und man ist oft im Dauerkrisenmodus. Unter Berlusconi, hat sich das noch extremer zugespitzt. Das ist die Kehrseite des idealen Urlaubslandes meiner Kindheit. Celentano vereint in sich und seiner Vita auch etliche Widersprüche. So ist er Kind apulischer Eltern, also aus dem armen Süden, und in Mailand aufgewachsen. Das Nord-Süd-Gefälle des Landes ist mit dem Ost-West-Gefälle bei uns durchaus vergleichbar.

Was hat Sie bewegt, jetzt die Reise mit Songs durch Italien fortzusetzen?

Pfeil: Die Geschichte war mit dem ersten Buch noch nicht auserzählt. Dort ging es vor allem um die italienische Popmusik, die Leben rettet und die Antworten auf alle Fragen des Lebens bereithält. Beim zweiten Buch habe ich mehr die dunklen Facetten berücksichtigt. Dazu gehört aktuell auch die Regierung der Postfaschistin Meloni, als Folge der Herrschaft von Berlusconi, dem Erfinder des Populismus. Italien ist inzwischen zu einem Land geworden, in dem die Pizza Hawaii auf der Speisekarte steht, ein absoluter Tabubruch. Zu den zentralen Themen gehört die Rolle der Frau in der Musik und im Showgeschäft. Das hat in einem so konservativ-katholischen Land eine große Bedeutung. Die Befreiung der Frau aus dem Patriarchat findet sich in den Liedern von Raffaella Carrà und Mina wieder. Die Musik hat hier eine Kraft zur Veränderung gezeigt, die in anderen Bereichen so nicht möglich gewesen wären. Gerade Carrà hat es mit ihren Liedern wie „A far l’amore comincia tu“ geschafft, die konservativen älteren Damen des Südens mitzunehmen. Das war auch in Deutschland ein Hit. Sie hat den Männern genau gesagt, was sie möchte - das war im Italien der 70er einfach unerhört. Hier zeigt sich, wozu italienische Musik in der Lage ist: wie sie die Sonne anschaltet, Neues bringt und aus der Krise führt.

Milva gehört auch zu den bekannten, politischen Sängerinnen Italiens?

Pfeil: Dabei was sie in Deutschland fast bekannter als in ihrer Heimat Italien. Dort waren Kolleginnen wie Mina oder Ornella Vanoni weit größere Ikonen. Milva kam vom Chanson und war für ihre linke politische Haltung bekannt, daher bekam sie den Spitznamen „La Rossa“. Im Buch blicke ich auf ihr Lied „Alexanderplatz“. Das zeigt, dass die Klischees in beide Richtungen funktionieren. So ist es in Deutschland immer klirrend kalt. Allerdings ist hier die Kälte eine Metapher für den Kalten Krieg.

Oft hat Milva auch „Bella Ciao“ gesungen.

Pfeil: Das vermeintliche Partisanen-Lied ist gerade in der heutigen Zeit ein enorm wichtiges Stück. Es war aber in seiner Entstehung keine Hymne der Partisanen, sondern ein Lied der Erntehelfer in Norditalien, die sich gegen ihre Ausbeutung gewehrt haben. Heute wird es oft gesungen, um gegen die Regierung Meloni zu protestieren. Das war auch bei einer Pressekonferenz in diesem Jahr zum Musikfestival San Remo der Fall. Da hat die Regierung eine unpolitische Haltung der Beiträge verlangt. Mit dem Singen des Liedes bei der PK hat man dazu klar Stellung genommen.

Welche Rolle spielt die in Deutschland sehr populäre Gianna Nannini?

Pfeil: Sie ist über Deutschland zu einem Star in ihrem Heimatland geworden. Ihre wichtigen ersten Platten hat sich unweit von Köln aufgenommen. In Italien ist sie heute eine Ikone und hat dort ein neues Frauenbild etabliert. Dabei ist auch sie eine widersprüchliche Person. Sie hat sie spät als queer geoutet. Sie hat sie aber auch Probleme wegen Vorwürfen der Steuerhinterziehung bekommen. Allerdings können Italiener solche Widersprüche besser aushalten und würden nie einen ikonischen Star in Ungnade fallen lassen. Superhelden und Fabelwesen verzeiht man fast alles.

Der Titel „Ciao Amore Ciao“ blickt auf ein Stück tragischer Musikgeschichte.

Pfeil: Er stammt von Luigi Tenco. Er trat 1967 beim Festival San Remo auf und schaffte es mit seinem anspruchsvollen Lied nicht in die Endausscheidung. Daraufhin hat er sich in seinem Hotelzimmer das Leben genommen. In seinem Abschiedsbrief stand, dass er nicht lebensmüde gewesen sei, dass er mit seinem Suizid aber das Publikum zum Nachdenken bringen wolle, warum es so ein hochwertiges Lied nicht ins Finale schaffen kann. Inzwischen gibt es einen Wettbewerb für anspruchsvolle Autorenlieder.

Ist schon ein drittes Buch geplant?

Pfeil: Meine Frau würde das sicher freuen, da ich beim Schreiben für das Buch immer gute Laune hatte. Italiens Musik bringt Menschen dazu, ihr Leben leichter zu nehmen. Ich glaube da als Sohn eines Musikers, der selbst auch Musik macht, fest an die Kraft der Musik. Diese bietet verlässlich Antworten und Trost in Zeiten, die immer schlimmer werden. Insofern wäre ich gut beraten, ein weiteres Buch zu schreiben.

Eric Pfeil: Ciao Amore Ciao, Kiepenheuer & Witsch, 368 Seiten, 14 Euro