Serie Synagoge wird zum Ort für die Kunst
Köln · Vom Kölner Hauptbahnhof sind es nur wenige Minuten nach Pulheim - täglich pendeln Tausende von dort in die Domstadt. Dabei lohnt sich ein Besuch in der Stadt des Rhein-Erft-Kreises durchaus. Zu Pulheim gehört auch das Mühlendorf Stommeln - benannt nach einer alten Windmühle, die über dem Ort thront, wo einst in Dierks Studios Musiklegenden wie Tina Turner, Michael Jackson und die Scorpions zu Gast waren.
Selbst die Landwirtschaft hat im kleinen Örtchen Einiges bieten: Dort wird Quinoa angebaut, ein Nahrungsmittel das eigentlich aus den Anden stammt. Auch ein Olivenhain findet sich in Stommeln.
Ein besonderer Schatz des Ortes liegt an der Hauptstraße auf Höhe der Hausnummer 85 etwas verborgen in einem Hinterhof: die Alte Synagoge. Sie ist eines der wenigen jüdischen Gotteshäuser in Deutschland, das bei den Pogromen 1938 nicht zerstört worden ist. Erbaut wurde die Synagoge 1882. Ab Mitte der 1930er Jahre wurde das Gebäude nicht mehr von der jüdischen Gemeinde genutzt und ging 1937 in den Besitz eines ortsansässigen Landwirts über, der die Synagoge als Abstellraum verwendete.
Der Davidstern wurde
mit Mörtel überdeckt
Den Davidstern an der Fassade hatte er mit Mörtel überdeckt, als am 10. November 1938 SA-Männer kamen und den Bau anzünden wollten. Der Landwirt konnte glaubhaft darlegen, dass das Gebäude ihm gehört und nicht mehr als Gotteshaus genutzt wird. So blieb der Synagoge in Stommeln das Schicksal erspart, das unzählige jüdische Gotteshäuser zerstörte.
Lange geriet das zentral gelegene Gebäude in Vergessenheit. Erst Ende der 1970er Jahre wurde die Synagoge, die sich damals in einem schlechten baulichen Zustand befand, durch den örtlichen Geschichtsverein wieder entdeckt und 1979 von der Stadt Pulheim gekauft. Bis 1983 wurde die Synagoge in Kooperation mit dem Landeskonservator aufwendig restauriert und in den Originalzustand versetzt. Der Davidstern wurde wieder freigelegt.
Zunächst wurde das Gebäude als Kulturzentrum für kleinere Ausstellungen und Konzerte genutzt. Auf Initiative des Pulheimer Kulturdezernenten Gerhard Dornseifer verwandelte sich die Alte Synagoge in einen einzigartigen Kunstort mit einer Strahlkraft, die weit über die Stadtgrenzen hinausging. Als erster Künstler setzte Jannis Kounellis 1991 ein Kunstprojekt um, welches das gesamte Gebäude mit einbezog. In den kommenden drei Jahrzehnten folgten Kunstgrößen wie Georg Baselitz, Rosemarie Trockel, Gregor Schneider oder Antony Cragg mit ihren aufsehenerregenden Projekten. Erst Corona beendete die Serie, die aber im kommenden beiden Jahren wieder fortgesetzt werden soll.
Vor der Rückfahrt sollten Besucher auf jeden Fall noch einen Abstecher zur Kirche Alt-St.-Martinus unternehmen, einer Kirche, die auf dem Friedhof des Stadtteils liegt und deren romanischer Turm auf die Zeit um 1100 zurückgeht. Unbedingt empfehlenswert ist auch der Besuch der Abtei Brauweiler, zu der vom Bahnhof Pulheim ein Bus etwa zehn Minuten Fahrtzeit braucht.
Die mächtige Abtei bestimmt den Pulheimer Stadtteil und blickt auf eine wechselhafte, knapp 1000-jährige Geschichte zurück. Die Benediktinerabtei wurde im Jahr 1024 durch das lothringische Pfalzgrafenpaar Ezzo und Mathilde gegründet. 1802 wurde das Kloster durch Napoleon aufgelöst.
Besonders eindrucksvoll sind der prächtige barocke Prälaturhof, der Wirtschaftshof und der Marienhof mit dem Kreuzgang, der gerade saniert wird. Zu sehen gibt es drinnen den prunkvollen Kaisersaal, der Äbtesaal, das Winterrefektorium und den Kapitelsaal, der einzige noch erhaltene Raum aus dem 12. Jahrhundert mit schönen Deckengemälden. Eine besondere Legende gibt es in der Abtei um den Maulbeerbaum - vor Ort kann ein 700 Jahre altes Exemplar besucht werden. Zu den Highlights in Brauweiler zählt die Abteikirche St. Nikolaus mit ihrer reichen Ausstattung, die zwischen 1136 und 1225 erbaut wurde, und die somit älter ist als der Kölner Dom.
Den dunklen Teil der Abteigeschichte markiert die Arbeitsanstalt in Brauweiler. Zunächst wurden die Räume ab 1811 als Bettleranstalt und ab 1815 von der preußischen Regierung als Arbeitsanstalt genutzt. Ab 1920 wurden das „Bewahrungshaus“ und das „Zellengebäude“ an die Kölner Justizverwaltung vermietet.
Ab 1933 dienten diese Gebäude ein Jahr lang als Konzentrationslager und im Anschluss bis 1945 als Gestapo-Gefängnis, wo auch Konrad Adenauer inhaftiert wurde. An diese Verbrechen erinnert seit 2008 im „Frauenhaus“ eine Gedenkstätte, die allerdings derzeit wegen Umbaumaßnahmen nicht zugänglich ist. Heute nutzt der Kölner LVR den großen Gebäudekomplex als Kultur- und Dienstleistungszentrum. Davor wurde die Abtei unter anderem als „Rheinische Landesarbeitsanstalt“ (1949-1969) und als Psychiatrische Klinik des LVR (1969-1978) genutzt.