Susanne Laugwitz-Aulbach: Die Stadt wird nach dem Shutdown wieder lebendig. Bei den Menschen und vor allem bei den Künstlern kehrt die Lust zurück, sich wieder in Köln zu zeigen und sich zu bewegen. Auch bei uns kommen immer mehr Mitarbeiter zurück aus dem Homeoffice. Die Unmittelbarkeit, von der die Kultur lebt, wirkt sich auch auf die kulturelle Arbeit positiv aus. Jetzt im Sommer blüht wieder alles auf. Ich hoffe nur, dass der Umgang der Menschen mit der Pandemie nicht zu sorglos wird und das wir keine zweite Welle bekommen. Jeder muss sich nach wie vor an die Regeln halten.
Corona-Krise „Wir haben sofort reagiert und konnten so etwas bewirken“
Wie erleben Sie gerade Köln?
Was sind und was waren für Sie als Kulturdezernentin die größten Herausforderungen in der Krise?
Laugwitz-Aulbach: Zunächst mussten wir alles herunterfahren und die Bühnen sowie Museen komplett schließen. Da bricht einem schon das Herz. Wir mussten sofort und flexibel reagieren, um den Künstlern mit dem Notfallfonds zu helfen. Das hat gut geklappt und hat gezeigt, wie gut die Arbeit in der Verwaltung auch dezernatsübergreifend in der Krise funktioniert. Jetzt müssen wir nach den Lockerungen schauen, dass alles wieder in Gang kommt. Die Museen, Bibliotheken und Archive mussten von Null wieder den Betrieb ihrer Häuser hochfahren. Auch das war eine Herausforderung, die aber sehr gut gelungen ist. Die Theater folgen nach und nach, spätestens mit Beginn der neuen Spielzeit im September.
Wie fällt die Bilanz nach den ersten Lockerungen aus?
Laugwitz-Aulbach: Im Mai hatten wir in den neun Museen knapp 10.000 Besucher. Das ist ein deutliches Zeichen für den Neuanfang. Die Menschen wollen sich wieder live vor Ort mit der Kunst auseinandersetzen. Dass es nicht direkt den großen Ansturm gegeben hat, war gerade für kleinere Museen wie das NS-Dok oder das RGM im Belgischen Haus gut. Da hätte es sonst Abstandsprobleme geben können. Die Häuser lernen gerade, mit der neuen Situation umzugehen und sind dann auch bereit für die großen Sonderausstellungen im Herbst wie Andy Warhol im Ludwig. Da erarbeitet der Museumsdienst gerade ein Konzept für ein Zeitfensterticket. In den Museen gibt es auch wieder erste Führungen und kleinere Veranstaltungen. Frequentiert sind ebenfalls wieder die Bibliotheken und Archive. Dazu kommen in der Philharmonie und in der Oper erste Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen. Auch das Gürzenich-Orchester beteiligt sich daran. Und die Zuschauer waren sofort wieder da.
Während des Shutdowns haben digitale Angebote einen ganz neuen Stellenwert bekommen.
Laugwitz-Aulbach: Beim digitalen Angebot gab es fast einen „Wettkampf“ der Museen, wer den Nutzern den besten Auftritt im Internet bieten kann. Alle Häuser haben sich toll präsentiert. Dazu kamen Streams zum Beispiel vom Gürzenich-Orchester, das schon früh ein erstes Konzert ohne Zuschauer gegeben hat. Die Oper und das Schauspiel haben online Produktionen aus der Vergangenheit präsentiert, was ebenfalls gut angekommen ist. Das Digitale wird auch nach der Krise seine Bedeutung behalten. Allerdings kann es die Unmittelbarkeit des Liveerlebnisses, von dem die Kultur lebt, nicht ersetzen.
Was wird aus den Großveranstaltungen wie Konzerten und Shows in Köln?
Laugwitz-Aulbach: Seit Pfingsten können die Häuser bis zu 25 Prozent ihrer Platzkapazität wieder nutzen. Für Oper, Schauspiel und die Philharmonie ist es schwer, nur in diesen Rahmen Veranstaltungen anzubieten. Ich hoffe, dass es mit dem 1. September noch weitere Lockerungen geben wird. Wir werden aber noch die gesamte kommende Spielzeit uns mit der Thematik beschäftigen müssen und müssen uns weiter an die Regeln halten.
Wie sieht es mit der Kölner Klubszene aus?
Laugwitz-Aulbach: Wir haben sofort reagiert und einen Rettungsschirm ins Leben gerufen. Es gibt den Notfallfonds in Höhe von drei Millionen Euro für freie Kultureinrichtungen. Mit dem Wirtschaftsdezernenten und der Wirtschaftsförderung haben wir einen weiteren Fonds in Höhe von 700.000 Euro für die Liveklubs und die Kreativwirtschaft eingerichtet. Davon sind bislang 550.000 Euro vergeben worden. Auch für die Soloselbstständigen in der Kultur gibt es ein Hilfsprogramm des Landes von 32 Millionen Euro. Dazu kommt die Milliarde des Bundes für den Neustart Kultur. Das Geld ist allerdings nicht für städtische Kultureinrichtungen gedacht. Aber den Kommunen soll der Ausfall der Gewerbesteuern kompensiert werden, sodass diese im Haushalt Kürzungen des Kulturetats vermeiden können. Wir haben hier insgesamt gesehen noch einen sehr komplexen Weg vor uns.
Wie kommt die Kultur aus der Krise?
Laugwitz-Aulbach: Die Kulturschaffenden in Köln halten wirklich zusammen und helfen sich gegenseitig. Da gibt es keine Trennung zwischen der Hochkultur und der freien Szene. Das gilt auch für unser Kulturdezernat. Wir haben zudem das Kulturmarketing mit „Kultur lebt in Köln“ neu aufgestellt und die Wiedereröffnungskampagne hilft allen Kultur-Beteiligten, städtischen oder nicht-städtischen.
Wie wird sich das Kulturerlebnis durch die Krise verändern?
Laugwitz-Aulbach: Die Vorbehalte, die jetzt noch bestehen, werden sich hoffentlich durch wissenschaftliche Zahlen abbauen lassen. Die Neuinfektionen gehen inzwischen deutlich nach unten. Mit unseren Hygienekonzepten zeigen wir den Besuchern, dass sie sich bei uns ganz unabhängig von der Altersgruppe gut und sicher aufgehoben fühlen können. So kommt die Lust und die Freude am Kulturbesuch wieder zurück.
Welche Rolle spielt Kultur für Menschen im Krisenmodus?
Laugwitz-Aulbach: Sie unterstützt die Menschen in der Krise. Es wird wieder mehr gelesen oder sich Filme angeschaut. Da geht es auch um die großen Fragen nach der eigenen Existenz. Kultur ist ein idealer Begleiter, wenn man sein Leben jetzt neu gestalten möchte.
Wie blicken Sie in den Herbst und die neue Spielzeit?
Laugwitz-Aulbach: Ich freue mich darauf. Im Schauspiel gibt es mit „Warten auf Godot“ ein Zwei-Personen-Stück, das gut in die Corona-Zeit passt, und in der Oper soll die „Zauberflöte“ auf jeden Fall auf die Bühne gebracht werden. Die Intendanten und Künstler wollen sich wieder ausdrücken. Die Konzepte dafür sind großartig, das gilt auch für das Konzertprogramm in der Philharmonie und das Engagement des Gürzenich-Orchesters. Positive Signale waren auch die Verlängerung, wie die von unserem international anerkannten GMD Francois-Xavier Roth.
Was macht Ihnen derzeit Sorgen und was macht Ihnen Hoffnung?
Laugwitz-Aulbach: Hoffnung macht mir die kommende Spielzeit mit der Kreativität der Künstler. Sorgen macht mir eine mögliche zweite Welle. Wir müssen auch finanziell aufpassen, dass nicht einzelne Kulturbereiche benachteiligt werden. Die Krise ist noch lange nicht vorbei.
Wie wird sich unsere Gesellschaft durch die Krise verändern?
Laugwitz-Aulbach: Die Krise bringt die Menschen zum Nachdenken, auch über das eigene Leben. Es geht um den persönlichen Umgang miteinander, um Verständnis, Hilfe und auch um eine offene Kultur für Debatten. Man weiß natürlich nie, wie sich eine Gesellschaft entwickelt. Aber in Deutschland haben wir die Situation mit viel Sorgfalt und Disziplin bislang gut gemeistert. Die Kultur ist da ein wichtiger Begleiter, auch weil sie zu herausfordernden Diskussionen anregen kann.
Wie gehen Sie persönlich mit der Krise um?
Laugwitz-Aulbach: Ich bin seit 30 Jahren beruflich an vorderster Front. Die jetzige Krise war aber auch für mich Neuland. Wir haben sofort reagiert und konnten so etwas bewirken. Die Entscheidungsprozesse haben sich deutlich beschleunigt. Das hat Vorteile gebracht. Man muss Herausforderungen annehmen, wenn man sie bewältigen will.