Polizei: „Gewalt ist mehr als nur Schläge“

Sieben Fälle von häuslicher Gewalt gab es in der ersten Jahreshälfte. Zweimal wurde der Täter der Wohnung verwiesen.

Burscheid. Türen werden laut zugeschlagen, plötzlich durchbricht ein lauter Streit die nächtliche Ruhe. Durch die Wand ist zu hören, wie ein Mann wutentbrannt seine Frau anschreit. Sie schreit zurück. Dann gibt es einen dumpfen Knall, auf den nur noch Stille folgt.

Die Zeugen eines solchen Vorfalls, meistens die Nachbarn, fühlen sich hilflos. "Soll ich mich einmischen und vielleicht sogar die Polizei rufen?", fragen sie sich. Darauf gibt es, so Peter Raubuch, Pressesprecher der Kreispolizei, nur eine Antwort: "Rufen Sie uns sofort an. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig."

Sieben Fälle häuslicher Gewalt habe es im ersten Halbjahr 2008 in Burscheid gegeben. Im Kreisgebiet waren es insgesamt 113 Fälle. "Das sind die Fälle, zu denen wir gerufen werden. Die Dunkelziffer ist vermutlich viel höher", sagt Raubuch.

Schätzungen zufolge erlebt jede dritte bis fünfte Frau Gewaltsituationen in ihrem häuslichen Umfeld. Um diesen Fällen auf die Spur zu kommen, ist die Polizei auf die Mithilfe von Nachbarn, Freunden und Familienmitgliedern angewiesen. "Die Opfer selbst melden sich bei uns nur ganz selten. Meist erst dann, wenn es gar nicht mehr anders geht."

In Burscheid haben die Beamten in diesem Jahr zweimal einen Täter der Wohnung verweisen müssen. Das bedeutet, dass er sich zehn Tage dort nicht blicken lassen darf. Hält er sich nicht daran, muss er ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro bezahlen.

"2002 wurde das Polizeirecht geändert. Seither dürfen wir den Täter der Wohnung verweisen. So können wir gewährleisten, dass das Opfer ohne die Einflußnahme des Täters über die Zukunft nachdenken kann", sagt Raubuch. Neu ist seither, dass der Täter gehen muss und nicht das Opfer Zuflucht beispielsweise in einem Frauenhaus suchen muss.

Der Pressesprecher der Polizei erzählt, dass es bei häuslicher Gewalt oftmals nicht nur ums Schlagen geht. Psychische oder wirtschaftliche Gewalt seien im Rheinisch-Bergischen Kreis ebenfalls ein Problem. Gerufen werden die Beamten jedoch meist bei Körperverletzungen.

"Oft ist Alkohol im Spiel. Das heißt, dass die Täter alkoholisiert sind, wenn sie gewalttätig werden." In wenigen Fällen stünden die Täter unter Drogeneinfluss. Über die Motivation, aggressiv gegen den Partner oder die Kinder vorzugehen, kann die Polizei nur spekulieren. "Oft sind Kleinigkeiten der Auslöser und der wahre Grund liegt dann viel tiefer."

Eine Anzeige erwartet den Täter auf jeden Fall. "Bei einer Körperverletzung muss das Opfer normalerweise erst einen Strafantrag stellen." Erst dann könne die Polizei handeln. Im Fall häuslicher Gewalt entfalle dies - die Polizei kann sofort Maßnahmen zum Schutz des Opfers ergreifen.

Die Irish Times schrieb vor einiger Zeit, dass nicht nur in Irland immer häufiger auch Frauen in ihrem häuslichen Umfeld gewalttätig würden. Schlagende Frauen gibt es laut Polizei in Burscheid und im Kreis jedoch nur ganz selten. Sie seien zumeist das Opfer - und nicht der Täter.

"Dass Männer von ihrem Partner geschlagen werden, das ist ganz, ganz selten. Und kommt höchstens in gleichgeschlechtlichen Beziehungen vor", sagt Raubuch. Auch sei es selten, dass Kinder zu Opfern von Gewalt würden. Die Fallzahlen insgesamt sind nach seinen Angaben nicht gestiegen, sondern bewegen sich seit Jahren konstant um die 200.