Ruhestand: Der Nimmersatt an den Fördertöpfen
Fast zwölf Jahre hat Hans Dieter Kahrl als Bürgermeister die Stadt geprägt. Jetzt will er vor allem eines: wandern.
Burscheid. Seinen diesjährigen Urlaub schenkt er sich. Oder besser: der Stadt. Hans Dieter Kahrl (64) hat allerdings auch eine Perspektive, die diese Großzügigkeit erleichtert.
Am 20.Oktober räumt der Bürgermeister endgültig seinen Schreibtisch und wechselt nach gut 48 Jahren im öffentlichen Dienst in den Ruhestand. Und hat sich für die Zeit, die dann kommt, vor allem mehr Bewegung verordnet. "Ich freue mich auf das Wandern und Fahrradfahren."
Elfeinhalb Jahre hat der frühere Gemeindedirektor von Issum (Kreis Kleve) als erster hauptamtlicher Bürgermeister der Nachkriegszeit die Geschicke der Stadt bestimmt. Und das Klima: Seine konfliktdämpfende Art wurde bisweilen als betulich empfunden, aber sie hat auch die konsensorientierte Kommunalpolitik der vergangenen Jahre entscheidend mitgeprägt.
Mit dem gebürtigen Solinger dankt ein ausgeprägter Netzwerker ab. Nicht zuletzt seinen zahlreichen Verbindungen in diverse Behörden bis hin zu Bezirksregierung und Ministerien ist es zu verdanken, dass immer wieder projektgebundene Fördergelder in die finanziell marode Stadt geflossen sind. Gut fünf Millionen Euro werden es am Ende seiner Amtszeit sein: für die Erweiterung der Schule Dierath, die Ganztagsangebote, die energetische Sanierung der EMA-Schule, den Radweg auf der Bahntrasse, das neue Jugendzentrum.
Das sind zusammen der Entwicklung der Gewerbegebiete in Hilgen-Heide (Wiedenhoff) und Linde/Irlen sowie der geplanten Wohnbebauung auf dem Thielgelände auch die markantesten Projekte, die er seiner Amtszeit zugutehält. Dem stehen gerade in jüngster Zeit zwei schmerzliche Pleiten gegenüber: das gescheiterte Golfplatzprojekt und die abgesagte Ansiedlung der Sportartikelfirma Hudora in Straßerhof. Die Erschließung des neuen Gewerbegebietes ist gleichwohl auf den Weg gebracht.
Die finanzielle Situation, das weiß der CDU-Mann, wird das Arbeiten in dieser Stadt künftig nicht leichter machen. Umso wichtiger sei der Fortbestand des ehrenamtlichen Einsatzes der Burscheider und des "konstruktiven Miteinanders von Rat und Verwaltung".
Seine Wohnung am Hammerweg gibt Kahrl Ende dieses Monats auf. Das Haus in der Gemeinde Uedem (Kreis Kleve) reicht dann aus. Aber auf die Mitgliedschaften im Förderverein des Altenzentrums, Kulturverein, Geschichtsverein und ÖHHB will er nicht verzichten. Und die Bergischen Panther, allen voran die Jugendteams, werden in ihm einen ihrer treuesten Fans behalten.
Ja, auf seinen Urlaub 2009 verzichtet Kahrl. Bis auf zwei Tage in der kommenden Woche. Dann heiratet sein einziger Sohn Frederic (28) in Berlin die stellvertretende Botschafterin Deutschlands in der Republik Moldau (Moldawien). Von seiner künftigen Schwiegertochter will sich der angehende Pensionär später noch ein paar Tipps abholen: für Auslandseinsätze als Seniorberater.