Mit dem Segelboot über den Atlantik Ein Düsseldorfer alleine auf hoher See – „da ahme ich wohl meinen Vater nach“

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Philipp Hympendahl startete mit 53 Jahren den Kanal Seesucht, in dem er Einblicke in seine Solo-Segelreisen gibt. Sein großes Vorbild ist sein Vater.

Philipp Hympendahl auf einer seiner Reisen. Seine Eindrücke teilt er auf dem Youtube-Kanal „Seesucht“.

Foto: Philipp Hympendahl

Offensichtlich kann man Gene eine ganze Zeit lang ignorieren, unterdrücken und außer acht lassen, aber irgendwann setzen sie sich dann doch durch. Diese Erfahrung machte Philipp Hympendahl. Im zarten Alter von 53 Jahren erwischte ihn die „Seesucht“, beziehungsweise er entwickelte den Video-Blog-Kanal (Vlog), dem er eben diesen Namen gab. „Ich habe zwar schon als Kind gesegelt, aber so richtig gepackt hat es mich erst vor Kurzem“, meint der gebürtige Düsseldorfer lächelnd. „Da ahme ich wohl meinen Vater nach. Der ist auch erst spät zum ernsthaften Segeln gekommen, hat das aber dann wirklich intensiv betrieben.“

Sein Vater Klaus Hympendahl war Weltumsegler, Abenteurer, Expeditionsleiter, Autor maritimer Bücher und gehört zu den Legenden des Düsseldorfer Yachtclubs (DYC). Mit seiner aufsehenerregenden Expedition Lapita Voyage zu den Inseln Anuta und Tikopia – mit zwei nachgebauten polynesischen Katamaranen – trat Klaus Hympendahl 2008 den Beweis an, dass Polynesien durchaus von Asien aus besiedelt worden sein könnte.

Beeindruckende Bilder
und oft sehr tiefe Einblicke

So wie der inzwischen verstorbene Vater Klaus beschreitet nun Sohn Philipp Hympendahl seglerisches Neuland, jedenfalls im weiteren Sinne. „Ich kenne keinen andern Youtube-Kanal, auf dem es einen Vlog über Einhandreisen gibt“, sagt er. Auf Seesucht spricht der inzwischen 56-Jährige ungewohnt offen über das, was ihn bewegt, zeigt beeindruckende Bilder und bietet oft sehr tiefe Einblicke in sein Leben und seine Seele auf See und an Land.

„Ich weiß nicht warum, aber ich mache immer wieder so typische Hympendahl-Aktionen. Wenn ich ein Ziel habe, bin ich immer fokussiert, vielleicht auch zu fokussiert“ meint er. „Ich habe während meiner zweiten Corona-Erkrankung in Glücksburg mein Boot fit gemacht. Ich habe dort niemanden gesehen. Andere legen sich mit Corona ins Bett, ich mache dagegen zwei Tage lang nonstop mein Boot fertig. Ich bin echt bekloppt“, beschreibt Hympendahl sich selbst.

Dass er sich intensiv um sein Schiff namens African Queen kümmert, auf dem der DYC-Schriftzug den Heckspiegel ziert, ist verständlich, verdient er mit seinen Segelreisen als „Reisereporter“ zum Teil seinen Lebensunterhalt. Das Arbeitsgerät, ein Camper Nicholson Halbtonner, 9,20 Meter lang, 3,20 Meter breit und Baujahr 1979, muss eben in gutem Zustand sein. Das Schiff soll ihn ja bei Regatten und Fahrten sicher durch Wind und Wellen bringen.

Das hat zuletzt bei der Midsummersail, einer Ostseeregatta zum nördlichsten Punkt der baltischen See, und auch bei der Atlantik-Runde bestens geklappt. Sowohl bei der Ostsee-Regatta als auch bei dem Trip von Workum in den Niederlanden über Le Havre (Frankreich), entlang der französischen, spanischen und portugiesischen Küste nach Lanzarote, Gran Canaria bis nach Martinique in der Karibik und wieder zurück, war Hympendahl alleine an Bord. „Ich war angespannt im Wissen um die große Distanz. Wie werde ich allein klar kommen? Habe ich etwas vergessen, ganz zu schweigen von dem Kopfkino, was alles schief gehen könnte“, sagt er.

Eine 5000 Kilometer lange Atlantiküberquerung

„Hinzu kam noch, dass die ersten Tage starke Winde mit mehr als drei Meter hohen Wellen gebracht haben.“ Dabei sollte es nicht bleiben. Er musste mehreren Stürmen ausweichen, darunter einem der mit fast 150 Stundenkilometer übers Meer fegte. Wegen der Klima-Erwärmung habe sich die Wassertemperatur im Atlantik deutlich erhöht, und er habe gemerkt und zu spüren bekommen, wie viel Energie unterwegs ist. Viele dunkle Wolken, Schauer und immer wieder starke Böen hätten es oft zu einer ungemütlichen Überfahrt gemacht. „Nicht jeder Tag ist gut. Aber wichtig ist, dass man aus den mentalen Tiefs herauskommt und immer wieder ein positives Mindestmaß erreicht“, erklärt. „Ich habe viel gelesen, Sudokus gelöst, etwas Sport gemacht und gönnte mir abends einen kleinen ‚Sundowner‘.“

Außer zu segeln gab es ja auch nicht viel mehr zu tun, sah Hympendahl auf der mehr als 5000 Kilometer langen Atlantiküberquerung nach Martinique doch nur drei Frachter und zwei Segler. „Mein Schlafpensum hatte ich nicht streng eingeteilt, sondern geschlafen, wann und wie ich wollte, wobei ich oft aufwachte und nach dem Rechten schaute“, verrät Hympendahl. „Es ist nichts kaputt gegangen, obwohl eine Welle das Boot komplett auf die Seite geschmissen hat“, so der Düsseldorfer. „Nur die Lebensmittel wurden am Ende etwas knapp und gerade die frischen und leckeren Sachen habe ich am Ende der 27 Tage dauernden Hinfahrt vermisst.“

Für diese Leistung erhielt Hympendahl den Silbernen Jan Wellem, den höchsten Preis für Fahrtensegler, die der Düsseldorfer Yachtclub zu vergeben hat. „Mein Name wird eingraviert. Und da steht auch schon der Name meines Vaters, der den Preis 2009 bekommen hat“, so Hympendahl. „Mein Vater oben im Himmel ist sicher stolz, dass ich ihn jetzt bekomme.“

(tino anbu)