20 Jahre Courage: Düsseldorfer Appell als Lebensaufgabe

Der Düsseldorfer Appell kämpft für Respekt und gegen Rassismus. Für Volker Neupert ist es eine Lebensaufgabe geworden.

Düsseldorf. Als die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle aufgedeckt wird, schaltet sich Volker Neuperts innere Stoppuhr ein. Selbst wenn er wollte, könnte er nicht verhindern, dass in so einem Moment neben dem Entsetzen auch eine gewisse Routine bei ihm einsetzt. Dann fragt sich der Geschäftsführer des Düsseldorfer Appells, wie lange es wohl diesmal dauern wird, bis die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit abebbt.

Bis der Schock über die perfide Mordgemeinschaft wie üblich von einem anderen Schrecken abgelöst wird und wieder nicht in eine dauerhafte Wachsamkeit mündet. Neupert hat mitgezählt: „Nach zwei Monaten war das größte Interesse vorbei.“

Er selbst hat sich schon vor Jahren entschieden, in puncto Respekt und Courage nicht lockerzulassen und den Menschen, wenn nötig, auch auf die Nerven zu gehen. Vor 15 Jahren übernahm er die Leitung des Düsseldorfer Appells gegen Gewalt und Rassismus. In diesem Jahr wird der Verein 20 Jahre alt. Zeit für eine Annäherung an Düsseldorfs Dauermahner.

Volker Neupert ist in Wersten groß geworden. Er geht dort auf die Realschule und hat Unterricht bei einem Mathelehrer, der ihn und seine Mitschüler das Fürchten lehrt. „Der war ein echter Drecksack, ein Postfaschist“, sagt Neupert.

Nach dem Abschluss macht er eine Lehre als Sozialversicherungsfachangestellter und arbeitet zehn Jahre bei der Landesversicherungsanstalt. Abends lernt er für sein Abitur, studiert Sozialwissenschaften und Geschichte in Duisburg, engagiert sich gewerkschaftlich und wird Mitglied bei der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. „Das Thema Nationalsozialismus und Faschismus hat mich schon früh interessiert“, sagt Neupert. „Aber vermutlich bin ich auch zeit meines Lebens ein Kümmerer gewesen.“ Jemand mit einem „Trieb, sich für eine gute Sache einzusetzen“.

Nach seinem Studium im Jahr 1997 bewirbt sich der damals 36-Jährige beim Jugendring um die Koordinatorstelle des Düsseldorfer Appells — und bekommt den Job. „Ich hatte großes Glück, dass ich da anfangen durfte. In dem Alter.“ Er findet sehr gute Grundlagen für seine Arbeit, baut jedoch das Veranstaltungsprogramm der Initiative aus, organisiert Kabarett und Konzerte, Ausstellungen und Exkursionen, und er sucht sich Kooperationspartner, die in der Sache eine Unterstützung sind, aber auch dabei helfen, dass der Düsseldorfer Appell in der Stadt ein fester Begriff wird: Dazu gehören unter anderem die Rheinbahn, Museen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und die Polizei.

Dagegen läuft es in den Anfangsjahren gar nicht rund: Zu Neuperts erster Demo gegen rechte Gewalt im Oktober 2000 kommen gerade mal 100 Teilnehmer, Lesungen und Vorträge werden nur mäßig nachgefragt. Hinzu kommt, dass sein Arbeitsverhältnis befristet ist. Erst nach drei Jahren darf er dauerhaft bleiben. „Ich habe einen Nischenjob“ — darüber macht er sich zu keinem Zeitpunkt Illusionen. „Aber ich stelle ein großes Programm mit vielen Partnern und Schulen auf die Beine, und es macht mir nach wie vor Spaß, Düsseldorfs Vielfalt abzubilden.“

Neupert, der im Mai 51 Jahre alt wird, versteht sich als Aufklärer, als Programmplaner, der in erster Linie die Kultur mit bildender Kunst, Kino und Literatur als Fundus für seine Angebote nutzt. Ein reines Anschauungsleben? „Das geht gar nicht“, sagt er. „Durch die Veranstaltungsauswahl erfinde ich mich regelmäßig neu. Das ist schön.“

Dennoch ist er es zuweilen leid. „Ich habe diese fatalistischen Momente vor allem dann, wenn ich die immer gleichen Reaktionen auf rechte Morde erlebe.“ Die Empörung gehe ihm auf die Nerven. „Empörung ist doch nur ein Funktionsgefühl. Mit Empathie kann man dagegen arbeiten. Ein gesunder protestantischer Zorn ist vielleicht mal das Richtige.“