Auf Pilz-Pirsch mit dem Meister

Das Abenteuer beginnt direkt vor der Haustür. Pilzflüsterer Jürgen Schnieber sagt, wie man’s findet.

Düsseldorf. Um Exotisches zu erleben, muss man nicht weit reisen - nur genau hinsehen. Wie Jürgen Schnieber. Der entdeckt mit sicherem Blick die Steife Koralle im Unterholz. Die sieht tatsächlich so aus, als ob sie aus einer Unterwasserwelt stammen könnte. Tut sie aber nicht. Die Steife Koralle ist ein Pilz. Einer von rund 2500 verschiedenen Arten, die in Deutschland existieren. "Insgesamt sind es sogar rund 6000 Arten, aber viele sind so klein, dass man sie nur unter der Lupe sehen kann", weiß Schnieber, der als Pilzflüsterer bereits seit seit zwölf Jahren durch die Wälder streift und Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie ist.

In den vergangenen Jahren hat er zunehmend Gesellschaft bekommen. Viele packen inzwischen zum Familienausflug ein Körbchen unter den Arm und entschwinden im Dickicht der Wälder. Wie viele Pilzsammler es gibt, weiß niemand. Schnieber geht allerdings davon aus, dass es sich in Düsseldorf fast ausschließlich um Hobby-Sammler handelt: "Pilze, die auf dem Markt angeboten werden, kommen meist aus Osteuropa."

Außerdem ist es verboten, in den Wäldern professionell Pilze zu sammeln: "Ein Kilo pro Person darf jeder für den eigenen Verbrauch mitnehmen." Kontrolliert wird das allerdings nur selten.

Wer Pilze sammelt, um sie anschließend zu essen. muss gut aufpassen, was er in seinen Korb legt. Schnieber selbst hat immer ein Buch dabei, in dem man 1500 verschiedene Pilze identifizieren kann. Aber nur mit einem Buch kann man keine Pilze sammeln, die man nicht kennt und dann essen will: "Man muss die Pilze sicherheitshalber kontrollieren lassen."

Am wenigsten verkehrt machen kann man bei den Röhrlingen. Dazu zählen unter anderem Steinpilz, Marone oder Birkenpilz." Die seien durch ihre Röhren auf der Hutunterseite, auch Schwamm genannt, relativ leicht auszumachen: "Von den Röhrlingen ist keiner so giftig, dass man daran sterben kann. Aber nicht alle schmecken und es gibt auch Magen-Darm-Giftige."

Sehr beliebt ist auch der Hallimasch, der immer an Baumstämmen wächst. Der ist essbar - aber nur, wenn man ihn gut durchbrät. Schnieber: "Ich habe erst letztens in einer Kochsendung gesehen, wie der Hallimasch nur von zwei Seiten kurz angebraten wurde. Das ist sehr gefährlich, denn roh ist der Pilz giftig."

Von vielen Arten weiß man überhaupt nicht, ob sie genießbar sind. Schnieber: "Pilze sind ein ganz eigenes Reich, sie sind weder Pflanzen noch Tiere und bestehen aus vielen verschiedenen Substanzen." Der Netzstielige Hexen-Röhrling zum Beispiel ist durchaus bekömmlich, so lange man keinen Alkohol zum Essen trinkt. Sogar drei Tage nach dem Verzehr kann ein Glas Wein noch schwere Folgen haben.

Besonders tückisch: Bei manchem Irrtum folgt die Strafe keineswegs auf dem Fuße, sondern erst mit Verzögerung. Wer einen Knollenblätterpilz erwischt hat, merkt möglicherweise zehn Tage gar nichts: "Aber dann können schwere Leberschäden auftreten, so dass nur noch eine Transplantation helfen kann."

Dem Pilzflüsterer geht es nicht hauptsächlich um Speisepilze: "Bei mir steht der Spaß an der Natur im Vordergrund." Der 44-Jährige erfreut sich an der großen Artenvielfalt, dem Violetten Lack-Trichterling oder dem Parasol, der ausschaut wie ein Sonnenschirm. Das Abenteuer wartet vor der Haustür - man muss es nur finden.