Frau Dickel, möchten Sie zunächst einmal erzählen, wie das Projekt Platzgrün überhaupt zustande kam?
Platzgrün in Düsseldorf „Die Pandemie hat uns in die Karten gespielt“
Interview | Düsseldorf · Die Platzgrün-Koordinatorin erklärt, wie das Projekt funktioniert und warum der Mintropplatz ein Problem bleibt.
Susanne Dickel treffen wir am Bachplätzchen an einem sonnigen Nachmittag – und bekommen im Laufe des Gesprächs live mit, warum ihr Konzept so gut ankommt: Mit dem Projekt Platzgrün gibt sie Bürgerinnen und Bürgern Hilfe beim ehrenamtlichen Engagement, konkreter beim Umsetzen von Gestaltungsideen für den öffentlichen Raum. Mehrfach werden wir unterbrochen, weil Menschen neue Ideen vorstellen wollen, zufällig vorbeikommen oder im Anschluss mit ihr verabredet sind. Sie verrät, was die Leute dazu bewegt, wo Schwierigkeiten liegen und was das Projekt ganz Düsseldorf bringt. Direkt zu Beginn weist sie zunächst eine junge Frau ein, die ein Beet an der Mobilitätsstation bepflanzt.
Susanne Dickel: Wir sind als kleine Gruppe gestartet, weil wir festgestellt haben, dass diese Stadt Plätze hat, die unter Wert verkauft werden. Die Innenstadt ist immer top in Ordnung, aber je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto einfacher wird die Gestaltung. Aber wir waren immer der Meinung, dass das Meckern alleine nicht hilft. Wenn man mehr möchte, muss man die Dinge selbst in die Hand nehmen.
Und dann ging es als Verein weiter?
Dickel: Wir waren die klassischen sieben Leute für eine Vereinsgründung – und haben im letzten Moment die Reißleine gezogen.
Wieso das?
Dickel: Ich habe festgestellt, dass das mit diesem Verein, den Formalien gar nicht unser Ding ist. Wir wollen ja eigentlich nur pflanzen – und deshalb haben wir stattdessen geschaut, wer zu uns passen könnte, wo es einen Synergieeffekt geben könnte.
Das war dann der
Verein Pro Düsseldorf?
Dickel: Genau. Die haben uns aufgenommen und wir haben von Tag null an eine Finanzierung bekommen. Damit konnten wir direkt loslegen. Das war ein großes Geschenk. Wir erhalten außerdem jährlich rund 20 000 Euro von der Postcode Lotterie; Antragssteller ist dann Pro Düsseldorf, die auch noch einmal etwas drauflegen.
Was wird dann
davon gekauft?
Dickel: Wir finanzieren damit Materialien und Pflanzen. Alle arbeiten bei Platzgrün rein ehrenamtlich. Tatsächlich wäre der größte Posten ja eigentlich der Lohn.
Sie machen das aber nicht als kleines festes Team alles alleine?
Dickel: Normalerweise kommen Bürgerinnen und Bürger mit einer Idee auf uns zu und suchen bei uns nach Hilfe. Dann gibt es erste Planungstreffen, bei denen Vorstellungen und Wünsche ausgetauscht werden. Wir schauen dann, was sinnvoll ist und versuchen, möglichst naturnah zu pflanzen – also insektenfreundlich, trockenheitsresistent; was man klassischerweise im Bereich der Klimaanpassung auch umsetzt. Wir erstellen eine Bestellliste und dann geht es eigentlich auch schon los. Bei den ersten Pflegeterminen sind wir noch dabei, aber dann übernimmt eine Gruppe das selbstständig.
Aber die Stadt hat auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Dickel: Das ist immer die Voraussetzung: Alles muss mit der Stadt abgeklärt sein. Zu Anfang war das ein wenig zäh, aber das hat sich über die Jahre sehr positiv geändert und inzwischen ist auch eine gewisse Vertrauensbasis gewachsen.
Vor allem weiß man nach fast vier Jahren auch, wen man ansprechen muss.
Dickel: Das ist unser großer Mehrwert. Auf solch einen Platz schaut nicht nur ein Amt, sondern es sind ganz viele, Liegenschaftsabteilung, Verkehrsamt und so weiter. Ohne tiefer in der Materie drin zu sein, ist man da als Bürger oft ziemlich verloren. Aber wir haben unsere Ansprechpartner und gehen oft auch über die Bezirksverwaltung. Es gibt Flächen, bei denen wir bereits im Vorfeld mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen können, dass das klappt. Und dann kann es auch schon mal innerhalb von 14 Tagen losgehen.
Was sind das dann für Flächen?
Dickel: Wir gehen nur ganz selten an große Flächen. Da wird es häufig kompliziert und dauert länger mit Genehmigungen. Darüber verliert man auch wieder Menschen, die möglichst rasch aktiv werden wollen. Aber bei vielen kleineren Projekten hat man sehr gute Chancen.
Gibt es eigentlich auch
finanzielle Unterstützung von der Stadt?
Dickel: Es gibt das Programm, „ZusammenWachsen“. Hier sollen Grünpatenschaften übernommen und das Ehrenamt unterstützt werden. Wir betreuen das mit, dafür gibt es finanzielle Unterstützung.
(Kurze Unterbrechung: Ein Mann macht Halt, mit ihm ist Susanne Dickel später verabredet – er möchte ein Hochbeet aufstellen und macht sich nach kurzem Gespräch zunächst alleine an die Arbeit.)
Bei all diesen Flächen –
wie behält man da den
Überblick?
Dickel: Es wird schon viel. Aber wir haben von Anfang an konkrete Ansprechpartner in den einzelnen Gruppen. In dem Moment, wo Nutzungs- oder Pflegevereinbarungen mit der Stadt getroffen werden, unterschreiben wir das als Platzgrün und ein jeweiliger Partner vor Ort. Damit gibt es immer eine Rückversicherung für die Stadt: Wenn eine Gruppe wegfällt, jemand wegzieht, dann bleiben wir immer noch als Ansprechpartner und suchen oft auch Menschen, die das weiter betreiben möchten.
Und inzwischen kommen die Menschen doch sicher von selbst auf Sie zu?
Dickel: Das ging sogar sehr schnell, es gibt so viel Mund-zu-Mund-Propaganda, dass wir gar keine Werbung machen müssen. Außerdem gibt es eine Vereinbarung mit der Connected Mobility Düsseldorf, die für die Mobilitätsstationen verantwortlich ist. Dort werden immer auch Beete mit eingeplant, die wir dann bepflanzen.
Da hat sich viel entwickelt – trotz Pandemie.
Dickel: Die Pandemie hat uns tatsächlich eher in die Karten gespielt. Die Menschen waren viel zu Hause und haben ihre eigenen Quartiere neu entdeckt. Damit kam bei vielen der Wunsch auf, das eigene Umfeld gestalten zu können und wieder mehr mit der Nachbarschaft in Kontakt zu kommen. Draußen konnte man zudem auch gut arbeiten.
Und dann sind die Menschen auch dabei geblieben?
Dickel: Über die Zeit entstehen oft ziemlich feste Gefüge und es entwickelt sich. Ein schönes Beispiel ist die Halskestraße. Da haben wir vor Hausnummer eins angefangen – und inzwischen gibt es Projekte auf der ganzen Straße, viele kennen sich darüber jetzt untereinander und im vergangenen Sommer gab es ein großes Straßenfest.
Über solche Entwicklungen freut man sich doch – aber geht man dann auch mit einem ganz anderen Blick durch die Stadt?
Dickel: Man findet überall Ecken, an denen man denkt: Würde sich hier doch mal jemand melden, der sich engagieren möchte, dann könnten wir hier auch aktiv werden. Tatsächlich glaube ich, dass die Menschen wacher geworden sind und selbst etwas tun möchten. Dabei wollen sie aber auch nicht ausgebremst werden, was es für die Stadt schwierig macht. Wenn wir eine solche Aufgabe aber einmal übernommen haben, dann führen wir es auch zu Ende.
Gibt es auch einen Platz,
der Probleme bereitet?
Dickel: Der Mintropplatz ist uns nicht so nachhaltig gelungen. Dort wurde viel Arbeit hineingesteckt über zwei Sommer – aber im dritten Jahr bin ich nicht mehr so oft da gewesen und irgendwann ist es gekippt. Wir haben wieder Arbeit hineingesteckt, aber gerade gibt es ein größeres Rattenproblem. Allgemein gibt es am Mintropplatz viel Nutzungsdruck, das macht die Pflege schwierig.
Es klingt wie ein Vollzeit-Job.
Dickel: Ist es auch – deshalb haben es gerade zu Beginn viele Frauen meiner Generation gemacht. Je nach Platz und Stadtteil ändern sich aber auch die Gruppen. Hier am Bachplätzchen sind die Helferinnen und Helfer jünger beispielsweise.
Gibt es noch Pläne für dieses Jahr?
Dickel: Wir reagieren mehr darauf, was an uns herangetragen wird. Aber es gibt Projekte wie die Mobilitätsstationen, Blumenzwiebel für manche Plätze müssen besorgt und Nachpflanzungen organisiert werden. Ich würde gerne im Bereich Fassadenbegrünung etwas machen, das halte ich für ziemlich unterschätzt. Aber ich freue mich auch, wenn das mal andere Leute anpacken.
(Das Gespräch mit Susanne Dickel alleine geht in einer Vierergruppe weiter, als eine Frau und der Mann mit den Hochbeetplänen zu uns stoßen. Sie hat Ideen für einen Platz an der Dormagener Straße und verabredet sich mit Susanne Dickel für einen Vor-Ort-Termin. Später kommt Oliver Fischer hinzu, der die neu gestalteten Plätze mit Insektenhotels weiter aufwertet.)
Dickel: Man denkt oft, man sei so machtlos. Aber eigentlich stimmt das gar nicht. Man muss nur selbst aktiv werden.