Düsseldorf Bürgerdinner: Frau oder Mann — das ist die Frage
Bürgerdinner in Rath: Kontrovers und hitzig diskutierten die Gäste über Körperklischees und ihre Folgen.
Düsseldorf. Drag Queens oder Transvestiten: Sie stellen durch ihre schillernde Kleidung und überdrehten Körper-Posen traditionelle Werte auf den Kopf. Was ist weiblich? Was männlich? Selbst wenn Geschlechtsumwandlungen alles andere als ein Novum sind, sind diese Fragen für viele Menschen nicht geklärt. Oder regen zu hitzigen Debatten an.
Zu erleben war das beim Bürgerdinner von Schauspielhaus und WZ in der Stadtbücherei Rath. Das köstliche, fleischfreie Menü wurde am Mittwochabend kredenzt von DRK-Köchen und serviert von freiwilligen Helfern. Eintritt für Diskussion, Essen und Trinken war wie üblich frei. Die Teilnehmer mussten sich nur rechtzeitig Karten besorgt haben, da die Plätze an zwölf Tischen begrenzt sind.
Wenn die Moderatoren — Junges-Schauspiel-Chef Stefan Fischer-Fels, Christof Seeger-Zurmühlen von der Bürgerbühne und WZ-Redakteurin Marion Troja — auch ein exzellent eingespieltes Team sind, so kamen sie doch bei den Dinner-Debatten ins Schwitzen. Sie hatten kaum damit gerechnet, dass das Thema des Abends „Körper und Klischees“ die Teilnehmer im Alter von etwa 30 bis 80 Jahren noch so auf die Palme bringen könnte. Befeuert wurden die Reaktionen durch die überraschende Entwicklung im Berliner Bundestag, wo am Freitag vermutlich das Gesetz zur Homo-Ehe eine Mehrheit finden wird.
Politische Brisanz hat dieses Sujet nicht nur für Groß-Koalitionäre, sondern für manche Dinner-Teilnehmer. Einigen geht das Gesetz zu weit, sagten sie. Sie berufen sich auf christliche Werte der Ehe. Andere (darunter einige ältere Herren) freuten sich, dass Homosexualität, die unter den Nazis noch mit dem Tod bestraft wurde, heute salonfähig sei und endlich die Ehe für alle existiere.
Für das weit gefasste Thema waren, wie beim Bürgerdinner üblich, vier Spezialisten geladen. Videokünstler und Regisseur Harun Güler etwa fragte, ob männlich oder weiblich angeboren sei, oder als Kategorie eher von Gesellschaftskonventionen definiert werde. Der Deutsch-Türke findet es für seine Arbeit „spannend, wenn Menschen sich in ihrer Hülle nicht wohlfühlen und sich nach einem anderen Körper sehnen.“
Wie homosexuelle Männer, die gerne Frauen und Models imitieren, tanzen und dabei weibliche Posen überspitzen, zeigte Zoe Melody. Auf dem Boden robbend, den Kopf in den Nacken geworfen, die Hände zum Collier-Griff gestreckt — dieser Tanz, Voguing genannt, kommt aus der New Yorker Schwulen-Szene, erklärte sie ihre Vorführung.
Kontrovers diskutiert wurde, nachdem Boris Glatthaar die Philosophie seines Tätowier-Magazins Tattoo Erotica vorgestellt hatte. Klar, dass darin nur Aktfotos von tätowierten Frauen zu sehen sind. „Nackte Männer verkaufen sich nicht“, so seine Erfahrung. Die Körper mit gestochenen Hautbildern seien heute im Trend, gehören in allen Gesellschaftsschichten zur Popkultur. Und nicht mehr zur Subkultur, wie noch in den 1970er/80er Jahren.
Gestritten wurde darüber, ob Tätowieren etwas mit Erotik zu tun habe. Der Teilnehmer Oliver Henn, reichlich an Armen und auf dem Rücken tätowiert, erzählte: Früher habe er mit Tattoos rebellieren wollen. Heute, im Job trage er als Design-Direktor lange Hemden, die die farbigen Hautbilder verdecken. Hände und Hals lasse er frei. In der jungen Generation sei das umgekehrt: Viele Frauen und Männer tragen heute tätowierte Motive sichtbar für jedermann, an Händen und Hals. Für viele gehöre das zur körperlichen Selbst-Inszenierung.
>>> Das nächste Bürgerdinner: 9. Oktober, 19 Uhr, Junges Schauspiel, Münsterstr. 446.