Die AfD als rechte Partei hatte zuletzt deutliche Zugewinne, der Krieg in Nahost wirkt als Brandbeschleuniger für Judenhass und Rassismus. Wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?
Diskriminierung in Düsseldorfer Sportvereinen „Die Leute sind verunsicherter, Fälle zu melden“
Düsseldorf · Der Ansprechpartner für Rassismus beim Stadtsportbund über seine Arbeit und „museumsreife“ Satzungen.
Mehr als 21 Millionen Menschen in Deutschland haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes eine Einwanderungsgeschichte. Das Thema Migration beschäftig auch aktuell die Politik. Für Interkulturalität in Düsseldorfer Sportvereinen setzt sich Janis Wöstmann ein. Der 34-Jährige ist sogenannter „Fairwerker“. Damit fungiert er als Berater mit Fachkompetenz für Antirassismusarbeit und Rechtsextremismusprävention. Erfahren Vereinsmitglieder in der Landeshauptstadt Diskriminierung, können sie sich an Wöstmann wenden. Mit uns hat er über seine Arbeit gesprochen.
Janis Wöstmann: Die Diskursverschiebung bekommen wir schon deutlich länger mit, als jetzt vielleicht der Fokus darauf liegt. Das gilt sowohl für uns, die in dem Feld tätig sind, als auch für diejenigen, die von Rassismus und Extremismus betroffen sind. Wenn man sich einige Interviews unter anderem von Politikern anhört, dann sind heute Dinge „tolerierbar“, die es vielleicht vor fünf Jahren noch nicht gewesen wären. Erwartbar wäre ja, dass dadurch für uns als Fairwerker das Aufkommen steigt und wir viel mehr Fälle zu beklagen haben. Das Gegenteil ist allerdings eingetreten.
Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Wöstmann: Unsere Vermutung ist, dass die Leute wieder verunsicherter sind, Fälle zu melden. Einfach weil sie zum einen nicht ganz genau wissen, wie ihr Umfeld das aufnehmen würde – also zum Beispiel, ob der Verein wirklich hinter einem steht, wenn man einen Rassismus-Fall nach außen kommuniziert. Zum anderen führt die Diskursverschiebung auch zu Unsicherheit beim Betroffenen selbst, der sich dann vielleicht die Frage stellt, ob er überreagiert. Rassismus und Diskriminierung treten in den allermeisten Fällen nicht in physischer Gewalt auf, sondern sind versteckter und subtiler. Das macht es für die Betroffenen umso schwieriger.
Wie wollen Sie von Diskriminierung Betroffene trotzdem erreichen?
Wöstmann: Ich glaube, dass der Fokus wieder mehr in die Richtung des Themas gehen muss und wir als Fairwerker mehr Präsenz zeigen können oder müssen. Wegen der Corona-Pandemie haben die Sportvereine eine herausfordernde Zeit hinter sich. Mittlerweile sind die Mitgliederzahlen zwar wieder über dem Vor-Corona-Niveau. Dafür beschäftigt uns der Mangel an Übungsleitern und Trainingsräumen. Ich habe den Eindruck, die Vereine wollen, dass Ruhe einkehrt.
Wie oft sind Sie als Fairwerker in Düsseldorf gefragt?
Wöstmann: In diesem Jahr habe ich vier Beratungen zum Thema durchgeführt. In drei der vier Fälle sind die Leute nicht explizit wegen Extremismus oder Rassismus auf mich zugekommen, sondern wegen sexualisierter oder interpersoneller Gewalt. Da lagen dann diskriminierende oder extremistische Intentionen zugrunde. Bis vor zwei Jahren hatte der Landessportbund die Fairwerker übrigens bei sich im Haus. Eingerichtet wurden die dezentralen Anlaufstellen, so wie in Düsseldorf, weil der Bedarf relativ hoch war – und um Hemmungen abzubauen.
Wie laufen die Beratungen ab?
Wöstmann: In einem ersten Kontakt versuchen wir die Informationen so zu ordnen, dass wir ein möglichst genaues Lagebild erhalten. Dann kommt es darauf an, was vorliegt. Es kann sein, dass wir an spezielle Fachberatungsstellen weitervermitteln – zum Beispiel Betroffenen- oder Extremismusberatungen, die noch mal tiefer in den einzelnen Themen sind. Es kann aber auch sein, dass wir uns aufgrund einer Meldung mit dem Vorstand des entsprechenden Vereins zusammensetzen. Manchmal sitzen alle Beteiligten an einem Tisch, manchmal sprechen wir mit dem Betroffenen alleine. Generell ist die Bandbreite der Personen, die sich an uns wendet, groß. Das können Vorstände, Trainer oder betroffene Sportler sein.
Was können die Vereine tun, damit es gar nicht erst zu Übergriffen kommt?
Wöstmann: Zur Prävention und Intervention gehört, dass die Vereine ihre teils museumsreifen Satzungen kontrollieren und sich fragen: Was haben wir überhaupt für ein Leitbild? Es ist ein entscheidender Schritt, wenn man sich schon an dieser Stelle für Offenheit und Vielfalt beziehungsweise gegen Diskriminierung und jegliche Gewalt ausspricht. Zum einen ist das wichtig für das Bild nach außen und an die eigenen Mitglieder. Zum anderen hilft diese Verankerung, wenn es tatsächlich zu einem Vorfall gekommen ist, um etwa eine Handhabe bei einem Vereinsausschluss zu haben.
Wie sehen Präventionsangebote des Stadtsportbundes aus?
Wöstmann: Wir bieten regelmäßig Fortbildungen für Übungsleiter und Interessierte in dem Bereich an. Ein Angebot heißt zum Beispiel „Fit für die Vielfalt“. In dem Kurs geht es darum, wie Trainer mit vielfältigen Gruppen umgehen und diese Vielfalt auch auskosten können. Eine Idee wäre zum Beispiel, ein bekanntes Trainingsspiel mal nicht mit Anweisungen in deutscher, sondern arabischer Sprache zu spielen. Da ist dann derjenige, der sonst immer im Nachteil ist, im Vorteil und alle anderen müssen eine zusätzliche Gedankenleistung erbringen. Die nächste Fortbildung dieser Art gibt es im kommenden Jahr.
In Düsseldorf leben Menschen aus weit mehr als 100 Nationen. Haben Sie das Gefühl, dass die Sportvereine die Stadtgesellschaft widerspiegeln und wie könnten dort noch mehr Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen?
Wöstmann: Ein Verein ist ein wunderbares soziales Netzwerk und in Düsseldorf sind diese vielfältig, ja. Gerade, wenn wir an geflüchtete Menschen denken, bietet der Sport viele Möglichkeiten. Für einige ist es über den Vereinssport vielleicht etwas leichter, einen Job, eine Ausbildung oder eine Wohnung zu finden, weil man viele Leute kennenlernt, die wiederum vernetzt sind. Integration ist aber natürlich keine Einbahnstraße. Und wenn wir eine bestimmte Zielgruppe ansprechen wollen, dann müssen wir auch eine Einladung an sie aussprechen. Das klingt zwar erst einmal wenig integrativ. Aber wir merken einfach, dass die Hemmungen und die Barrieren ansonsten zu groß sind.
Wie könnte eine solche Einladung aussehen?
Wöstmann: Ein schönes Beispiel ist das eines Handballvereins, den wir unterstützt haben. Zwar ist die Sportart in Deutschland immer schon sehr mitgliederstark gewesen, der Verband hatte aber über die letzten Jahre einen Rückgang verzeichnet. Ein Grund dafür war, dass viele Mitgliedschaften quasi vererbt worden sind – also, dass vor allem Kinder aus Handball-Familien Mitglied geworden sind. Darüber hinaus hat man so gut wie keine weiteren Zielgruppen angesprochen. Wir haben dann gemeinsam ein Schnuppertraining aufgelegt. Zielgruppengerecht sind wir beispielsweise auf Geflüchtete aus der Ukraine zugegangen. Zum Training ist dem Verein dann mehr oder weniger die Halle eingerannt worden und es gab noch am gleichen Tag mehrere Anmeldungen.