Solch einen Streik im öffentlichen Nahverkehr hat Düsseldorf seit mehr als 30 Jahren nicht erlebt: In dieser Woche bis Freitagfrüh werden keine Bahnen und kaum Busse fahren. Die Gewerkschaft Verdi hat ihre Beschäftigten nach dem bereits angekündigten Arbeitskampf von Montag bis Mittwoch auch für Donnerstag zum Streik bei der Rheinbahn aufgerufen. „Wir wollen in den laufenden Tarifverhandlungen Druck erzeugen“, sagt der für Düsseldorf verantwortliche Verdi-Sekretär Dirk Seibel. Eine Sprecherin der Rheinbahn bestätigt, dass der Fahrdienst am Donnerstag drin bleiben muss – weil die Gewerkschaft neben der Werkstatt auch die Leitstelle bestreiken werde.
Seit vergangenem Freitag rollt eine beispiellose Streikwelle durch Düsseldorf. Hintergrund ist der Tarifstreit im öffentlichen Dienst. Verdi fordert für die bundesweit 2,5 Millionen Beschäftigten von kommunalen Arbeitgebern acht Prozent mehr Gehalt, mindestens aber eine monatliche Erhöhung von 350 Euro. Die nächste Verhandlungsrunde beginnt am Freitag, bisher hat die Gegenseite kein Angebot abgegeben.
Von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände heißt es: „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen keine großen Sprünge zu.“ Rheinbahn-Betriebsratschef Daniele Bellusci entgegnet, es brauche gerade in diesen Zeiten von steigenden Kosten mehr Geld – daher nutze man das Instrument des Streiks. „Wir wollen den Arbeitgeber spüren lassen, dass so etwas auch weh tun kann“, sagt Bellusci.
Im Vergleich zu anderen Städten in NRW wird die Landeshauptstadt besonders heftig von dem Arbeitskampf getroffen. Schon der dreitägige Betriebsausfall aller Bahnen von Montag bis Mittwoch ist weder in Städten wie Köln, Dortmund, Essen oder Duisburg zu beobachten. Die Rheinbahn teilt auf Nachfrage mit, dass es einen vergleichbaren Streik mit mehrtägigem Betriebsausfall zuletzt 1992 gegeben habe. Damals sei der Fahrbetrieb sogar für 14 Tage zum Erliegen gekommen.
Jetzt also 96 Stunden Stillstand – wie konnte es so weit kommen? Recherchen zeigen, dass Verdi zwar von Montag bis Donnerstag, aber nur in den Werkstätten, Kundencentern und bei den Kontrolleuren zum Streik aufrufen wollte. Allein am Mittwoch hatte man aufgrund des landesweiten Aufrufs für den gesamten öffentlichen Dienst und der Kundgebung auf dem Burgplatz (Demo ab 10 Uhr ab DGB-Haus) auch den Fahrdienst einbeziehen wollen.
Dann jedoch kamen zwei unerwartete Dinge zusammen: Zum einen rief die bei der Rheinbahn ebenfalls recht gut organisierte Nahverkehrsgewerkschaft (NahVG) für diesen Dienstag zum Streik im Fahrdienst auf. Eine Absprache zwischen den beiden zerstrittenen Arbeitnehmervertretungen hatte dazu nicht stattgefunden. „Obwohl wir das immer versucht haben“, beteuert Heiko Goebel, Vorsitzender der NahVG für die Region West.
In Dortmund und Essen
fahren die Bahnen
Verdi wiederum zog dann für den Dienstag mit, um eine Spaltung der Belegschaft zu verhindern, wie Gewerkschaftssekretär Dirk Seibel sagt. Eine weitere Überraschung aus seiner Sicht war es dann, dass die Rheinbahn am Montag nahezu den gesamten Fahrbetrieb einstellte, obwohl nur die Werkstätten betroffen waren.
Tatsächlich werden die technischen Abteilungen von ÖPNV-Betrieben auch etwa in Dortmund und Essen bestreikt, dennoch fahren die Bahnen dort. Die Rheinbahn erklärt ihr Vorgehen auf Nachfrage wie folgt: „Unser oberstes Anliegen ist die Sicherheit unserer Fahrgäste und Mitarbeitenden. Da die Werkstätten bestreikt werden, können wir nicht gewährleisten, den Fahrbetrieb sicherheitsgerecht durchzuführen.“ Eine Sprecherin sagt auf Nachfrage, dass es schlimmstenfalls so kommen könnte, dass eine Bahn mit einer Panne nicht aus dem Netz zurück auf den Betriebshof gebracht werden könnte.
Warum die Rheinbahn zu einer anderen Einschätzung kommt, als etwa die Betriebe in Dortmund und Essen, ist schwer zu sagen. Es könnte sein, dass andere betriebliche Zuständigkeiten oder Strukturen der Grund sind. Auch der jeweilige Organisationsgrad von Verdi könnte eine Rolle spielen. Von der Ruhrbahn in Essen heißt es auf Nachfrage: „In den technischen Bereichen kann trotz Streik gearbeitet werden, sodass der Fahrbetrieb weiterlaufen kann. Die personelle Kapazität ist an den Streiktagen jedoch geringer, weil der überwiegende Teil der Mitarbeitenden dem Streikaufruf nachkommt und streikt.“ Eine weitere Möglichkeit: Die Rheinbahn ist zu einer anderen Risikoabwägung gekommen.
Im Ergebnis ergibt sich für die knapp 2000 Beschäftigten der Rheinbahn, die Busse und Bahnen fahren, in dieser Woche eine bisher beispiellose Situation. Am Montag und am Donnerstag kommen sie zwar zur Arbeit, verbringen ihren Dienst aber nicht am Steuer. Diese beiden Tage werden regulär entlohnt, während es am Dienstag und Mittwoch Streikgeld von der Gewerkschaft gibt. Im Gespräch mit der Belegschaft zeigt sich, dass einige gerne arbeiten würden, anstatt die Fahrgäste 96 Stunden lang nicht zu befördern. Umgekehrt aber betonen sie die Notwendigkeit von höheren Gehältern. Fahrer Tomas sagt etwa: „Wir haben so viel Verantwortung wie Flugzeugpiloten, bekommen aber viel weniger Geld.“