Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hohe Hürden für Versammlungen
Düsseldorf · Die Stadt hatte versucht, einen Protestzug von Querdenkern durch Düsseldorf zu untersagen. Das Verwaltungsgericht hat nun geurteilt, dass das Verbot nicht verhältnismäßig war – aber theoretisch möglich ist.
Stadt gegen Querdenker, Infektionsschutz gegen Versammlungsrecht – vor dem Verwaltungsgericht hat am Donnerstag ein Rechtsstreit um die Absage eines Protestzuges ein Ende genommen. Das Urteil: Die Stadt hätte den Aufzug nicht untersagen dürfen, das Verbot war nicht verhältnismäßig.
Aber von vorn: Es geht um die Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen, die am 8. Januar stattfand. Die Stadt Düsseldorf hatte den Aufzug kurz vorher untersagt und angeordnet, dass nur eine stehende Kundgebung erlaubt sei – im Sinne des Infektionsschutzes. Das Ansteckungsrisiko bei den Demonstrationen sei besonders hoch, weil die Teilnehmer schlecht geschützt seien. Viele hätten Atteste, die sie vom Maskentragen befreien, zudem komme es immer wieder zu Verstößen gegen die Corona-Regeln. In einer sich bewegenden Menschenmasse sei das Risiko von Infektionen zudem deutlich höher als bei einer Standkundgebung, zumal die vom Veranstalter angemeldete Zahl von 2000 Teilnehmern deutlich überschritten wurde.
Dagegen hatte der Organisator der Querdenken-Demonstration im Eilverfahren geklagt – und das Verwaltungsgericht hatte ihm Recht gegeben, jedoch aus rein formalen Gründen. Die Stadt sei nach Auslaufen der epidemischen Lage gar nicht befugt gewesen, versammlungsrechtliche Entscheidungen aus Gründen des Infektionsschutzes zu treffen, so die Begründung des Gerichts. Die Demonstranten durften also ziehen.
Nun hat die 29. Kammer des Verwaltungsgerichts noch einmal über die Klage entschieden – formal und inhaltlich. Rein formal hätte die Stadt durchaus die Befugnis gehabt, den Demonstrationszug zu untersagen, korrigierte das Gericht.
Eine solche Auflage räumt das Infektionsschutzgesetz den Ordnungsbehörden ein. Das Verbot sei aber nicht verhältnismäßig, so das Urteil, die Behörde habe es nicht gut genug begründet. Demnach hätte die Stadt eine Gefahrenprognose aufstellen müssen, hätte nachweisen müssen, dass der Aufzug unmittelbar die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens gefährde, dass die Krankenhäuser überlastet sind und es bei vorigen Demonstrationen zu zahlreichen Verstößen gegen die Maskenpflicht gekommen ist. Die Begründung der Stadt, eine stehende Kundgebung könne man besser kontrollieren als einen Aufzug, ließ das Gericht nicht gelten. Dann, so die vorsitzende Richterin, wären gar keine Demonstrationszüge gegen die Corona-Maßnahmen mehr möglich.
Das Urteil zeigt: Generell ist es für Behörden weiterhin möglich, eine Versammlung im Sinne des Infektionsschutzes zu beschränken, auch wenn die Hürden hoch sind. Damit hat das Verwaltungsgericht in erster Instanz Klarheit geschaffen über die Befugnisse der Stadt. Für die Versammlung am Samstag aber will die Verwaltung keine strengeren Auflagen erlassen, sagte Ordnungsdezernent Christian Zaum. Man werde die Entwicklungen – die Infektionszahlen und die Stimmung bei den Demonstrationen – aber genau beobachten. Dass die Stadt bei einer verschärften Lage noch einmal zu Beschränkungen greift, sei möglich, sagte Zaum.
Seit fast zwei Jahren stellt sich die Frage, in welcher Form Menschen während einer Pandemie auf der Straße protestieren dürfen, und was Behörden tun können, wenn sie Ansteckungen in den Massen fürchten? Die Rechtslage ist nicht klar, sagte die vorsitzende Richterin. Der Abschnitt im Infektionsschutzgesetz, der während der Pandemie eingeführt wurde, erlaubte es Behörden, im Sinne des Infektionsschutzes Auflagen für Versammlungen zu erteilen.
So könnte zum Beispiel die Teilnehmerzahl beschränkt werden. Für Klarheit habe diese Änderung aber nicht gesorgt. Denn weiterhin stellte sich die Frage: Welche Behörde ist eigentlich zuständig? Die Stadt als Infektionsschutzbehörde oder die Polizei als Versammlungsbehörde?
Mittlerweile herrsche ein Nebeneinander, das aber in den Städten unterschiedlich ausgelegt werde, so die Vorsitzende. Ende 2021 wurde das Infektionsschutzgesetz erneut geändert, die pandemische Lage ist mittlerweile ausgelaufen. Damit sind die Befugnisse noch unübersichtlicher geworden, so die Richterin. Darum brauche es die Auslegung eines Gerichts. Gegen das Urteil ist Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster möglich.