Erste Premiere nach Corona-Zwangspause Musikstudenten sind zurück auf der Bühne

Düsseldorf · Nach der Corona-Pause präsentieren die Opernsänger der Robert-Schumann-Hochschule heute ihre „La Bohème“-Version.

Die Nachwuchssänger (v.l.) Valentin Ruckebier, George Gamal, Jakob Kleinschrot und George Clark freuen sich auf ihre Auftritte in „La Bohème“.

Foto: Berenika Oblonczyk

Endlich wieder Lampenfieber, endlich wieder dieses Kribbeln und die Euphorie, sein Können vor Publikum zu zeigen. Fast drei Jahre ist es jetzt schon her, dass die Studenten der Opernklasse im Partika-Saal ihrer Robert-Schumann-Hochschule auf der Bühne stehen konnten. Umso größer ist die Freude, dass es jetzt nach der langen Corona-Zwangspause endlich wieder für sie heißt: Bühne frei!

Im Konzert-Saal der Hochschule sieht alles aber noch recht schmucklos aus. Graue Wände wurden aufgestellt. Was es damit auf sich hat, will Regisseur Ansgar Weigner nicht verraten. Aber so viel: dass das Grau Farben gut einfange, die Hochschule über einen großen Projektor verfüge und der zweite Akt ziemlich bunt werden könnte. Das Bühnenbild spielt wenige Tage vor der Aufführung noch keine große Rolle für die Nachwuchssänger. „Wir hören sehr auf die Musik, weil sie bei Puccini schon 80 Prozent der Szene ist.“ Und nein, die Corona-Thematik werde nicht aufgegriffen, auch wenn das bei Stücken wie „La Bohème“ und „La Traviata“ nahe liege.

Weigner sieht in Puccinis Oper „das perfekte Hochschulstück, weil es so nah an der Lebenswirklichkeit der Studenten“ sei. In dem Stück, das 1896 uraufgeführt wurde, geht es um vier junge Künstler: Poet Rodolfo, Maler Marcello, Musiker Schaunard und Philosoph Colline, die in einer Wohngemeinschaft im Pariser Quartier Latin leben. Dann tritt die Näherin Mimì in das Leben von Rodolfo, doch das Glück meint es nicht gut, denn sie hat Schwindsucht. Marcello findet zu seiner Freundin Musetta zurück. Womit auch für dieses Stück gilt: Nirgendwo wird so viel gestorben wie auf der Bühne. Und dass es dadurch eben auch wunderbare Arien gibt.

Nachwuchssänger Georg Clark mit Pauline Asmuth bei den Proben

Foto: Berenika Oblonczyk

Tenor Jakob Kleinschrot freut sich auf seine Auftritte als Rodolfo. „Ich kann natürlich von Glück reden, dass ich noch nicht so eine Situation wie Rodolfo erleben musste. Aber er beschreibt ja auch irgendwo sein Erwachsenwerden – und in dieser Lage befinden sich meine Kommilitonen und ich ja auch gerade irgendwo.
Da sind viele Anknüpfungspunkte“, meint der Student aus Würzburg. Er hat das Studium der Schulmusik hinter sich, verfügt aber über wenig Opernerfahrung, was ihn reizte, nach Düsseldorf zu kommen. Der Tenor steht bei Gesangsprofessor Konrad Jarnot hoch im Kurs, dieser spricht von einer „Höhenbegabung“ des Studenten: „Wenn er sich dem hingibt, es einfach strömen lässt und an nichts anderes denkt als nur an Wohlklang und Puccini und, was die Botschaft ist, dann ist es berückend.“

Weigner hat bereits mehr als 50 Produktionen inszeniert und findet, dass er ein „leichtes Spiel“ mit den Sängern habe, denn „die sind alle sehr spielbegabt“. „Wir haben viele gute Männerstimmen, die ich gern in einem Stück rausstellen wollte. Wir haben wirklich fantastische Tenöre, Baritone, Bässe. Und wir haben noch die entsprechenden Soprane“, sagt der Dirigent.

Damit möglichst viele Sänger die Chance bekommen, an der Aufführung teilzuhaben, gibt es Zweit- und Drittbesetzungen. „Hätte ich gar nicht damit gerechnet, dass es so schnell kommt im dritten Semester. Dass man dann schon in einer riesigen Puccini-Oper als Mimì auf der Bühne stehen kann“, sagt etwa Julia Wirth. Sie kam auf Umwegen (unter anderem Studium der Betriebswissenschaft) zu Konrad Jarnot. Der Gesangsprofessor ließ sie vorsingen und nahm sie sofort in seiner Klasse auf.

Die Aufführung von Puccinis „Bohème“ im Partika-Saal ist allerdings mit einigen Hürden verbunden – und das nicht nur wegen des anspruchsvollen Stoffes. Corona ist noch immer gegenwärtig. Und so passierte es immer wieder, dass sich einer der Studenten infizierte und von den Proben abmelden musste. Um sicherzugehen, dass die Aufführung nicht an einer Corona-Vorschrift scheitert, traf Opernklassen-Leiter Thomas Gabrisch zudem weitreichende Entscheidungen. So wird es weder die klassische Chor- noch Orchesterbesetzung geben – beide treten üblicherweise in einer Stärke von etwa 60 Personen auf. Der künstlerische Leiter der Opernklasse weicht auf eine neu arrangierte Fassung aus, die die Raum- und damit die Abstandsverhältnisse berücksichtigt, aber auch der Akustik eher angemessen ist.

Unter den Nachwuchssängerinnen ist Pauline Asmuth, die bis zuletzt noch an ihrer Rolle feilt. Denn eine Musetta zu singen und zu spielen: So eine Chance bekomme man im Studentenleben nicht so oft. Die 24-Jährige aus Bochum hat ihr Gesangspädagogik-Studium bereits beendet und arbeitet nun mit Jarnot an ihrem Master in Opern-, Lied- und Konzertgesang. Der Bariton hat sie auch bei ihrem Fachwechsel vom Mezzosopran zum Sopran begleitet. „Der Respekt vor Musetta ist natürlich groß, aber der Spaßfaktor riesig“, sagt der Professor und sieht die Musetta bei Asmuth gut aufgehoben. Die Rolle sei für die Sopranistin Chance und Herausforderung gleichermaßen. „Die Musetta ist ja unglaublich wild und energisch. So ein bisschen sparkling. Und auch dieses sehr Kokette, was sie hat. Das fehlt mir, glaube ich, ein bisschen“, meint Asmuth.

Gemein sei den beiden Frauen eine gewisse Bodenständigkeit, vielleicht gar eine Emanzipiertheit, wie Asmuth es nennt: „Sie hat eine unglaubliche Wut hinter allem, was sie macht und was sie antreibt. Und ich glaube, da kann man sich als Frau eine Scheibe von abschneiden.“ Die Musetta im Partika-Saal auf die Bühne zu bringen: Darauf freut sich die junge Sängerin sehr.