Düsseldorfs Japaner zwischen Schock und Gebet

Erdbeben: Nach der Katastrophe in der Heimat herrscht in der japanischen Gemeinde der Stadt eine bedrückende Stimmung.

Düsseldorf. Erleichtert hängt Yoshino Furumbarai den Hörer ein: „Ich habe meinen Vater erreicht.“ Zwar seien in seinem Haus in der Nähe von Tokio sämtliche Teller und Gläser aus den Schränken gefallen, aber es gehe ihm gut. „Er war zum Glück im Freien, als die Erde bebte“, sagt die 45-Jährige, die im Eko-Haus der japanischen Kultur in Niederkassel arbeitet. Über den Computerschirm flimmern bei ihr am Freitag nur die TV-Bilder eines japanischen Nachrichtensenders. Ihre Schwester wird wohl in ihrem Büro in Tokio übernachten müssen: „Sie kommt nicht nach Hause, weil kein Zug fährt und die Autobahnen gesperrt sind.“

Für die etwa 5.000 Japaner in Düsseldorf ist der gestrige Tag quälend lang. Viele versuchten verzweifelt ihre Angehörigen in der Heimat zu erreichen, doch das Telefonnetz in Japan ist zusammengebrochen. Misa Iwashita, Geschäftsführerin des Cafés Japan’s, sagt: „Ich hatte so große Angst und habe sofort versucht, meine Verwandten in Tokio zu erreichen.“ Nach mehreren Versuchen klappte es endlich. „Alle sind gesund“, sagt Iwashita. Sie versucht sich mit Arbeit abzulenken, doch die Katastrophe ist allgegenwärtig: An der Wand hängt ein riesiger Fernseher, der Live-Bilder der Tsunami-Verwüstungen zeigt.

Das Fernsehen ist auch die einzige Quelle des Generalkonsulats auf der anderen Straßenseite. „Wir versuchen alle Informationen zu sammeln, aber Telefon und E-Mails funktionieren nicht“, sagt der stellvertretende Generalkonsul Soma Yasuyuki.

Eine zentrale Anlaufstelle für die vielen besorgten Japaner gibt es in Düsseldorf bis Freitag Nachmittag nicht. Auch nicht im Eko-Haus. „Die meisten werden sich in ihren Firmen über das Geschehen informieren“, sagt Takao Aoyama, Direktor des Kulturvereins.

Dem 72-Jährigen steckt der Schock in den Gliedern, dennoch versucht er, gelassen zu bleiben: „Vielleicht liegt das an unserer Mentalität, vielleicht aber auch daran, dass wir sowieso nichts ändern können.“

Der Professor für Germanistik und Kulturwissenschaften hat jahrelang an der Universität der Stadt Sendai gelehrt, die jetzt von der Schlamm-, Wasser- und Geröll-Lawine des Tsunamis verschlungen wurde. „Ich habe meine Freunde von der Uni noch nicht erreichen können, habe keine Ahnung, wie es ihnen geht.“ Immerhin weiß er seine Tochter und andere Familienangehörige, die in der Nähe von Tokio wohnen, in Sicherheit. „Ich konnte mit ihnen telefonieren.“

Kurz huscht ein Lächeln über Aoyamas Gesicht, dann legt sich seine Stirn wieder in Sorgenfalten: „Ich fürchte, die Nachbeben werden weiteren Schaden anrichten.“ Er legt sich eine Stola um den Hals und greift nach seiner Gebetskette. Im Tempel des Eko-Hauses kniet er wenig später auf Bastmatten vor dem Buddha-Altar und betet für seine Freunde und alle Opfer des Bebens.

Yoshino Furumbarai lehnt sich im Bürogebäude nebenan zurück und seufzt halb erleichtert, halb bedrückt: „Komischerweise bin ich immer in Deutschland, wenn es ein Erdbeben gibt.“