Ein Bühnenbildner, der Bilder hasst

Gespräch mit dem renommierten Künstler Johannes Schütz, der ein Buch über seine Auffassung vom Theater geschrieben hat.

Foto: Judith Michaelis/Matthias Horn

Düsseldorf. Johannes Schütz, einer der renommiertesten Bühnenbildner Deutschlands, zugleich Akademieprofessor in Düsseldorf, hat ein dickes, blaues Buch mit 576 Seiten und 424 Abbildungen herausgebracht. Ein Résumé der letzten 15 Jahre. Es überrascht jedoch nicht nur durch seine 250 Modelle und Entwürfe, sondern auch durch seine Thesen. Schütz behauptet nämlich gleich in den ersten Seiten: „Das Theater braucht kein Bühnenbild. Ich glaube nicht an das Bühnenbild. Der Raum, in dem gespielt wird, sollte nicht bebildert werden.“ Bevor er sein Buch am 20. Februar um 18 Uhr vor Beginn der Vorstellung von „Michael Kohlhaas“ im Central vorstellt, sprachen wir mit ihm.

Das Bühnenbild sei für ihn ein „furchtbares Wort“, betont er. Was man als Bühnenbildner macht, müsse besser sein als die leere Bühne. Derlei Attacken gelten dem „bebilderten Raum“. Für die Inszenierung von „Der Idiot“ im Central zeigt er, was er damit meint: Er hat die schmale Bühne ohne Tiefe in Tortenstückchen aufgeteilt und die jeweils benötigten Türelemente einfach eingeschoben. Der Not gehorchend, denn sein Bühnenentwurf war für das neubarocke Dresdner Schauspielhaus konzipiert und nicht für das Provisorium. Um in Düsseldorf klar zu kommen, hat er sogar den Boden zum Podest gemacht und 20 Zentimeter angehoben, damit die Schauspieler dort sitzen. „Meine Bühnenräume sind genau, formal und konkret zugleich“, sagt er.

Sein Bestreben sei es, den Schauspielern zur Wirkung zu verhelfen. Bei den grandiosen Akteuren André Kaczmarczyk als Fürst Myschik und Christian Erdmann als Rogoschin ist das der Fall. Ein „Ornament“ hingegen lenke nur ab. Dekor am Theater sei eine „Ausrede“. Die Ausstattung müsse nicht wiederholen, was die Spieler sagen.

Schütz attackiert immer auch die Regisseure, wenn er sagt: „Die Theaterleute, die Regisseure, können sich nicht mehr so sehr konzentrieren. Deshalb lenken sie gern durch Dekorationen ab.

Seit Ende der 1990er Jahre, als er „Käthchen von Heilbronn“ für die damalige Intendantin Anna Badora ausstattete, beobachtet er das Düsseldorfer Publikum — und ist erstaunt: „Es gibt eine große Trennung zwischen den Menschen, die ins Theater gehen und denen in den Galerien. Das sind zwei verschiedene Gesellschaften. Das ist ausgesprochen blöd.“ Und dann kommt einer jener typischen Schütz-Sätze: „Das Düsseldorfer Theaterpublikum ist den modernen Kunstströmungen gegenüber relativ unwissend. Das ist schade.“ Er habe das etwa bei „Macbeth“ erlebt, wo anfangs so viele Zuschauer den Saal verlassen haben, dass man nur vor 200 Zuschauern spielte. Aber man habe durchgehalten, bis die Aufführung als „kultisch“ galt.

Daraus folgert Schütz: „Man darf es dem Publikum nicht zu leicht machen. Es gibt auch keinen Sinn, auf der Bühne leichte Unterhaltung und das Wiedererkennen von Bildung zu praktizieren. Das Theater muss sich anstrengen, und es muss das Publikum anstrengen.“

Schütz hat noch einen geradezu revolutionären Gedanken parat, wenn er sagt: „Auf der Bühne stehen 20 bis 25 Leute, hinter der Bühne bis zu 400. In den 1950er und 1960er Jahren hat man im deutschsprachigen Bereich den Betrieb aufgebläht. Das braucht man nicht. Man sollte das Theater neu strukturieren, damit die Menschendarsteller nicht in der Minderheit sind.“

Seit zehn Jahren ist Schütz Professor an der Kunstakademie. Oft assistieren seine Studenten bei ihm. Aber nicht alle, denn das Niveau des Nachwuchses sei sehr unterschiedlich. Aber eines steht fest: „Wer in meine Klasse will, will ins Theater. Der Markt, das Galeriewesen, all das gibt es im Bühnenbild noch nicht“, sagt er. Und er hält eine gute Botschaft parat: „Meine Studenten kommen immer am Theater unter. In den ersten Jahren ist das überhaupt kein Problem. Das liegt an der perfekten Ausbildung bei uns. Es stehen Theaterfotografie, technisches Zeichnen und Dramaturgie bereit, um den Anfängern ein breites Angebot zu geben.“