Düsseldorf Großrazzia in Klein-Marokko
300 Polizisten riegeln das Viertel in Bahnhofsnähe am Samstag ab und kontrollieren 294 Männer, nehmen 40 von ihnen fest.
Düsseldorf. An der Ecke Ellerstraße/Linienstraße flattert rot-weißes Absperrband. Dahinter stehen mehrere große Polizeiwagen, ein meterhoher Lichtmast. In einem grünen Zelt sitzen Polizisten in einer Reihe an einem schmalen Tisch, schreiben und telefonieren. Neben ihnen ein gelber Vorhang, hinter dem die Kollegen im Akkord junge Männer durchsuchen. Die Polizei kontrolliert am Samstagabend in dem Viertel Klein-Marokko in Oberbilk bei einer Razzia fast 300 Menschen, nimmt 40 von ihnen vorläufig fest. Es ist ein von langer Hand geplanter Schlag gegen das Netzwerk von nordafrikanischen Kriminellen, das seit Anfang 2014 in dem „Projekt Casablanca“ beobachtet wird.
Drei Hundertschaften riegeln am Samstag gegen 17.30 Uhr 18 Cafés, Spielcasinos und Shisha-Bars ab, lassen niemanden mehr hinein oder hinaus. Allein in einem kleinen Lokal an der Ellerstraße sitzen zu diesem Zeitpunkt 40 junge Männer zusammen, schauen Fußball. Bis kurz vor Mitternacht dauert es, die insgesamt 294 angetroffenen Personen zu kontrollieren.
Dann steht fest: 40 Menschen müssen vorläufig festgenommen werden, davon 38 wegen des Verdachts auf illegalen Aufenthalt in Deutschland. Ein Mann war bereits zur Abschiebung ausgeschrieben, bei einem weiteren besteht der Verdacht der Hehlerei. Sieben Anzeigen schrieben die Beamten vor Ort wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, Diebstahls, Betrugs und eines möglichen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Sechs Handys, die aus Straftaten stammen, wurden entdeckt, konnten aber keinem konkreten Verdächtigen zugeordnet werden.
„Um eine größere Datenbasis zu bekommen, machen wir einen großen Aufschlag“, erklärt Einsatzleiter Frank Kubicki — fast genau ein Jahr nach der ersten Großrazzia in Klein-Marokko. „Unsere Aktion ist nicht darauf ausgelegt, Beute zu finden — wir wollen vielmehr Gruppenstrukturen erkennen.“ Die Ermittler gehen davon aus, dass sich junge Kriminelle in Klein-Marokko treffen, um dann in die Altstadt weiterzuziehen — die Taschendiebstähle dort würden fast ausschließlich von Nordafrikanern begangen, so Kubicki. Das war in Düsseldorf seinerzeit ausschlaggebend für die Gründung des Analyseprojekes „Casablanca“, in dem mittlerweile 2244 Verdächtige und weit mehr als 4000 Straftaten gebündelt sind.
Der Einsatz, erklärt Kubicki, war bereits seit Ende 2015 geplant; die Übergriffe in Köln und Düsseldorf in der Silvesternacht seien also nicht der Anlass gewesen. „Aber wir schauen bei den Durchsuchungen auf den Handys auch, ob es Bilder von dieser Nacht gibt.“ Wie berichtet stammen die bisher ermittelten Verdächtigen von Köln aus Nordafrika, die Düsseldorfer Polizei schließt einen Zusammenhang mit dem Verdächtigenkreis des Casablanca-Projektes nicht aus.
Die Razzia verlief weitgehend friedlich — bis auf „ein paar Wortgefechte“, berichtet der Einsatzleiter. Und: „Die Geschäftsleute hier sind ja ohnehin froh, dass wir etwas tun.“ Das bestätigt Rechtsanwalt Thomas Stephan, der an der Ellerstraße Wohnung und Kanzlei hat, und den Großeinsatz „einfach klasse“ findet. Auch der Inhaber des Palmen Cafés, der im Viertel nur Miguel genannt wird, sagt: „Ich finde es gut, dass sie jetzt mal ein bisschen saubermachen. Zu mir kommt ja keine einzige Frau mehr. Sie fühlen sich unsicher.“
Wie viele der kontrollierten Männer bereits polizeilich bekannt waren, kann Polizeisprecher Marcel Fiebig gestern noch nicht sagen. Die Erkenntnisse der Kontrolle — „wer sitzt wann mit wem in welcher Bar“ — sollen jetzt in die Casablanca-Akte einfließen. Sie dienten dann auch der Vorbereitung weiterer Einsätze im Kampf gegen die kriminelle Großbande.