Bücherbummel: Die verbrannten Bücher leben

Mario Adorf hat bei seiner Lesung ein besonderes Anliegen: Die Werke geächteter Dichter sollen weiter in Erinnerung bleiben.

Düsseldorf. Als in Deutschland 1933 die Bücher brannten, war Mario Adorf erst drei Jahre alt. Aber er fühle sich dieser Sache sehr verpflichtet, betonte der große Schauspieler vor seiner Lesung im ausverkauften Lichtburg Studio-Theater in der Kö-Galerie. Denn er kannte die "verbrannten Dichter" Erich Kästner und Carl Zuckmayer persönlich und in seinen Anfängen an den Münchner Kammerspielen arbeitete er mit vielen Emigranten zusammen, Fritz Kortner war sein Lehrer.

Darum folgte er gerne der Einladung von Michael Serrer vom Literaturbüro NRW, der für diese ungewöhnliche 20. "Nacht der Poeten" Texte aus Büchern zusammenstellte, die im Mai 1933 (in Düsseldorf auch schon im April) auf die Scheiterhaufen kamen. Es waren Texte, in denen die Nationalsozialisten den "undeutschen Geist", also Kommunismus, Pazifismus, Dekadenz und moralischen Verfall witterten, wie in einem gespenstischen Tondokument vor der Lesung zu hören war.

Mit großer Konzentration las Mario Adorf zunächst Texte von Erich Kästner ("Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?"), Kurt Tucholsky ("Gebet nach dem Schlachten") und einen Ausschnitt aus Erich Maria Remarques Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues".

Eine Passage aus Isaak Babels "Die Reiterarmee" rief die Schrecken des Krieges hervor - Michael Serrer hatte sie ausgewählt, um daran zu erinnern, dass auch Bücher ausländischer Schriftsteller auf deutschen Scheiterhaufen brannten, neben denen von Juden, Sozialisten und - nicht zu vergessen: Autoren der Avantgarde.

So waren expressionistische Gedichte zu hören wie Jakob van Hoddis’ großartiges "Weltende", das mit den Zeilen beginnt: "Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,/ in allen Lüften hallt es wie Geschrei." Van Hoddis wurde 1942 von den Nazis ermordet, bei vielen Dichtern machte die Vernichtung nicht bei ihren Büchern halt.

Bertolt Brecht, Anna Seghers und Alfred Döblin konnten emigrieren, auch Oskar Maria Graf, der in den USA entsetzt zur Kenntnis nehmen musste, dass seine Bücher von den Nazis empfohlen wurde, worauf er in einem öffentlichen Brief protestierte: "Verbrennt mich! Diese Unehre habe ich nicht verdient!" Der Brief schließt mit den Worten: "Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein, wie eure Schmach!"

Dass die Texte der verfemten Autoren überlebt haben, zeigt nicht zuletzt diese eindrückliche Lesung mit Mario Adorf, begleitet von abwechslungsreicher Jazzmusik der 30er und 40er Jahre mit dem "Thomas Rückert-Duo" und moderiert von Michael Serrer, der das Publikum daran erinnerte, dass auch heute viele Schriftsteller verfolgt werden. Darum hatten die Organisatoren von Bücherbummel und Kö-Galerie beschlossen, die Einnahmen des Abends für "Writers in Prison" zu stiften.

Zum Schluss gab Michael Serrer dem Publikum noch eine berührende Geschichte mit auf den Weg: Ein Rabbi wurde von den Römern zum Feuertod verurteilt und kam mit seiner Thorarolle auf den Scheiterhaufen. Bevor er starb, rief er seinen Jünger noch zu, was er sah: Das Pergament löst sich in Flammen auf, die Buchstaben aber, die fliegen davon!