Düsseldorf — ein Hotspot der Manga-Szene

Zwei junge Frauen zeichnen japanische Comics und sind damit gut im Geschäft. In der Schule hatte man sie für ihre Vorliebe ausgelacht.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Zwei Frauen, zwei Geschichten, eine Leidenschaft, ein Beruf: Als Martina Peters (28) noch zur Schule ging, war sie eine Außenseiterin. Grund dafür war ihr Hobby: Manga und Anime. „Es gab in der kompletten Schule nur zwei Mitschüler, die das gut fanden.“ Heute hat die Düsseldorferin ihr Hobby zum Beruf gemacht: Sie ist professionelle Manga-Zeichnerin.

Foto: Sergej Lepke

So wie Mikiko Ponczeck (29). Für sie war die japanische Kultur immer ein Stück Heimat in der großen, weiten Welt. Weil ihr Vater als Bankangestellter überall auf dem Globus gearbeitet hat, hat die gebürtige Tokioerin einen Großteil ihrer Kindheit im Ausland gelebt. Mal in Hongkong, mal in den USA, mal in Belgien.

Foto: Sergej Lepke

„Wir sind fast alle zwei Jahre umgezogen.“ In dieser unsteten Zeit waren Manga für Ponczeck eine Brücke in die Heimat. Als sie mit 15 Jahren schließlich nach Deutschland kam, schwappte gerade eine Welle durch die Republik. Sailormoon, Dragon Ball, Akira, Pokémon — diese Manga und Anime machten die japanische Kultur auch in Deutschland populär.

Das Internet hat wenig später dazu geführt, dass jeder seine Zeichnungen veröffentlichen und ohne Verlage Fans sammeln konnte. Mikiko Ponczeck hat es davon abgehalten, als Erwachsene den Weg zurück nach Japan zu gehen.

Denn: „Plötzlich hat sich in Deutschland eine Szene entwickelt. Das Internet war für uns das Tor zur Welt“, sagt Ponczeck. Jetzt gab es nicht mehr nur die Sailormoon-Hefte für 9,95 Mark aus dem Lotto-Laden, sondern die ganze Welt der Manga mit all ihren Stilen offenbarte sich Peters, Ponczeck und unzähligen anderen Fans. „Natürlich habe ich trotzdem weiter die Buchläden in Tokio nach Manga durchforstet.“ 1998 wurde erstmals die Manga-Messe „Animagic“ veranstaltet, auf Plattformen wie deviantart.com konnten eigene Zeichnungen veröffentlicht werden.

Heute nutzen die beiden Düsseldorferinnen das Internet für ihre künstlerischen Zwecke kaum noch. Peters und Ponczeck sind den Weg über eigenständige Veröffentlichungen, kleinere und größere Verlage gegangen. Beide müssen sich nicht mehr um Jobs bemühen, nicht mehr jede Anfrage annehmen.

Ponczecks nächstes Werk erscheint noch in diesem Winter. „Crash’n’Burn“ (Verlag: Tokyopop) wird von zwei einander unsympathischen Rockern handeln, die zufällig in der gleichen Musikband landen. Peters legt im Sommer 2014 ein neues Werk im Carlsen-Verlag nach — Inhalt: streng geheim.

Aber was reizt die beiden eigentlich an Manga — in Deutschland trotz ihrer Komplexität nach wie vor ein Jugendphänomen? „Mich fasziniert der Stil. Manga erzählen filmisch, das Layout ist nicht so starr wie bei westlichen Comics“, erklärt Peters. Perspektive und Dynamik würden genauso eine große Rolle spielen wie das Stilmittel der Übertreibung. Ponczeck: „Der Schwerpunkt liegt in den Emotionen.“

Das sieht man auch den Werken der beiden Künstlerinnen an. Trauer, Liebe, Aggression — Gefühle spielen eine tragende Rolle. Großer Unterschied zwischen ihnen ist jedoch der Umgang mit Details. Ponczecks Comics — in Japan ist der Begriff „Manga“ gleichbedeutend mit „Comic“ — sind wesentlich detailreicher und verspielter. Hintergründe werden reichhaltig ausstaffiert, die Figuren sind verspielter gezeichnet. Peters Werk dagegen zeichnet eine gewisse Nüchternheit mit dem Fokus auf das Wesentliche aus.

So verschieden sie als Zeichnerinnen sind, ihre Leidenschaft ist doch dieselbe: die japanische Popkultur. Und damit teilen sie ihre Vorliebe mit vielen anderen Jugendlichen — insbesondere in Düsseldorf. Die Stadt sehen beide mit Dortmund, Köln und Berlin als Hotspot der deutschen Szene. Heute wäre Martina Peters in der Schule sicher nicht mehr allein mit ihrer Manga-Liebe.