Ehrung für eine Jahrhundert-Figur Feier für Lawrence Ferlinghetti: Der Chronist der Beat-Generation

Düsseldorf · Ein Fest zum hundertsten Geburtstag des US-Verlegers im Privathaus von Carmen Knoebel am Carlsplatz.

     Carmen Knoebel und ihre Freunde feien Lawrence Ferlinghetti zu seinem 100. Geburtstag.

Carmen Knoebel und ihre Freunde feien Lawrence Ferlinghetti zu seinem 100. Geburtstag.

Foto: Chris Felver

Lawrence Ferlinghetti ist der Geburtshelfer der Beat-Generation und ihr erster Verleger. Sein Ruhm begann 1953, als er gegen den amerikanischen Staat die Veröffentlichung des Romans „Howl“ von Allen Ginsberg durchboxte. Bis heute bringt er die amerikanische Literatur der Moderne heraus. Jetzt, zu seinem hundertsten Geburtstag, wird er als Symbolfigur selbst gefeiert. Nicht im Goethe-Museum oder im Heine-Institut, sondern im Privathaus der Carmen Knoebel am Carlsplatz, gegenüber der Bierschwemme. Bis Ende Mai gibt es hinter einer goldenen Alu-Folie Fotos, Filme, Dokumente, Bilder, ja sogar eine Theke und einen kleinen improvisierten Bookshop. Der Eintritt ist frei.

Matthias Rücker hatte die Ausstellung längst im Hinterkopf, als Freund des Fotografen Chris Felver, des wichtigsten Beat-Chronisten. „Es gibt kaum jemanden, den er nicht fotografiert hat“, sagt er. Felver wiederum ist ein Freund von Ferlinghetti.Und  Raimund Jonen von der Galerie The Box an der Duisburger Straße ist befreundet mit der Familie  Knoebel. So fehlten nur noch Carsten Reinhold Schulz und der gemeinnützige Kunstverein Jason Ro e.V. , um dieses Organisationsteam der freien Szene Düsseldorfs auch in puncto Konzept und Finanzierung zu komplettieren. Schulz spielte bei der Eröffnungsrede Ferlinghetti gegen den deutschen Kulturbetrieb aus. Zuhörer waren all jene Düsseldorfer, die bei Ai Weiwei vergeblich in der Schlange gestanden hatten.

 Carsten Reinhold Schulz, Matthias Rücker und Reimund Jonen (v.l.) organisierten die Schau zu Lawrence Ferlinghetti und der Beat-Generation am Carlsplatz.

Carsten Reinhold Schulz, Matthias Rücker und Reimund Jonen (v.l.) organisierten die Schau zu Lawrence Ferlinghetti und der Beat-Generation am Carlsplatz.

Foto: Carsten Rheinhold Schulz

Totale in Foto und Text über die Autoren und Musiker des Beat

Die Schau ist ein Muss für jedermann, der sich über die Beat-Autoren informieren will. Hier passieren die Helden in Bild und Text Revue. Die Kerngruppe bestand aus Jack Kerouac, Allen Ginsberg, Neal Cassady und William S. Burroughs, die sich Mitte der 1940er Jahre in der Umgebung der Columbia-Universität trafen. Sie holten Gregory Corso in Greenwich Village ab und fanden Herbert Huncke am Times Square. Sie wanderten teilweise von New York nach San Francisco, wo ihre große Stunde 1951 mit der legendären Gedichte-Lesung in der Six Gallery begann.

1953 gründete dort Ferlinghetti, der an der Columbia-Universität studiert und an der Sorbonne promoviert hatte, mit Peter Dean Martin den City Lights Bookstore mitsamt  Taschenbuch-Verlag. City Lights wurde zum Inbegriff der aktuellen Literatur, und Ferlinghetti zu ihrem Propagandisten. Bis auf Bob Dylan und ihn sind sie alle tot. In den frühen 1980er Jahren war Ferlinghetti  noch dabei, als Wolfgang Mohrhenn zu Lesungen und Happenings in die Wuppertaler Börse und die Kunsthalle Düsseldorf lud.

Die Ausstellung am Carlsplatz ist kurzweilig und informativ zugleich. Der Stammvater der Literatur erscheint im Foto mit Charlie-Chaplin-Melone und akkurat geschnittenem Bart, während Allen Ginsberg mit Brecht-Brille und kahlem Schädel etwas durchnächtigt aussieht. Hervorragend sind die Texte zu all den  Poeten, Komponisten, Sänger und Aktivisten, die Felvers Fotos begleiten.

Philip Glass schrieb 20 Opern und zehn Symphonien. Er gilt als wichtigster Vertreter der minimalistischen Musik und als einer der produktivsten Komponisten der Gegenwart, der zusammen mit Robert Wilson zum Pionier multimedialer Inszenierungen wurde. Allen Ginsberg, der spätere Buddhist, ist die wichtigste Stimme der amerikanischen Lyrik. Er bildete mit Peter Orlovsky das erste schwule Ehepaar der amerikanischen Geschichte.

Sun Ra war Wegbereiter des Free Jazz, aber auch astrologischer Prediger und Philosoph. Timothy Leary promovierte in Psychologie in Berkeley, wurde aber 1963 als Dozent in Harvard entlassen, als er mit psychedelischen Drogen wie LSD, Meskalin und Psilocybin experimentierte. Er landete im Gefängnis, floh bis nach Kabul, beschäftigte sich mit Ideen der Bewusstseinserweiterung, und künstlicher Intelligenz. Als er 1996 starb, wurden sieben Gramm seiner Asche in den Weltraum geschossen.

Nicht immer war das Leben dieser Künstler von Erfolg gekrönt. Herbert Huncke galt schon in jungen Jahren als drogenabhängig und  machte Burroughs mit Heroin bekannt, aber er schenkte der Beat-Generation die „Sprache der Gosse“, wie es in der Ausstellung heißt.

Neal Cassady verbrachte seine Jugend in Kaschemmen und Erziehungsanstalten, lernte ab 1946 Ginsberg und Kerouac kennen und war von einem unstillbaren Hunger nach Frauen, Freiheit und Autos besessen. Er starb 1968 im Koma an einer Eisenbahnstrecke.

All diese Dichter, Denker und Anarchisten waren als Autoren unheimlich aktiv. Gary Snyder, 1975 Pulitzer-Preisträger, schrieb mehr als 25 Bücher, übersetzte japanische buddhistische Literatur,  entwarf Konzepte der Renaturalisierung und wirkte als Professor der Universität von Kalifornien in Davis. Jack Kerouac wurde mit „On the Road“ zur zentralen Figur der Beat Generation. Aber mit seinem Ruhm begann auch sein Niedergang, er versank im Alkohol.  1969 platzte ihm die Leber.

Info: Ausstellung und Filme bis 31. Mai täglich am Carlsplatz 6, auch sonntags geöffnet, wochentags von 15 bis 22 Uhr, am Wochenende schon ab 10 Uhr.