Düsseldorf Ehring hält Gutmenschen den Spiegel vor
Im neuen Programm des Kabarettisten geht es um Yoga-Lehrer, Willkommenskultur und den VW-Skandal. Die Premiere konnte überzeugen.
Düsseldorf. „Dieselgate“, Korruption beim Sommermärchen und die Flüchtlingskrise: Christian Ehring lässt bei der Premiere seines neuen Bühnenprogramms „Keine weiteren Fragen“ im ausverkauften Kommödchen am Samstag abend kein aktuelles Thema aus. Umsponnen wird sein „aktueller Lagebericht aus dem Komfortzonenrandgebiet“, wie das Programm im Pressetext beworben wird, von einer durchgängigen, fiktiven Story, die die deutsche Willkommenskultur so genüsslich wie treffend durch den Kakao zieht.
Schauplatz ist eine noble Wohngegend am Stadtrand von Düsseldorf, die perfekte Familienidylle. Der Sohn ist gerade volljährig geworden und hat sein Abi mit Ach und Krach geschafft, jetzt geht’s zum Freiwilligen Sozialen Jahr nach Buenos Aires. So ein Aufenthalt im Slum mache sich schließlich brillant im Lebenslauf, findet sein Vater. Der Vorschlag seiner Frau, die Einliegerwohnung in der Abwesenheit des Sprösslings an einen Flüchtling unterzuvermieten, stößt dem Familienvater hingegen erstmal übel auf.
Theoretisch sei das zwar eine fabelhafte Idee - aber eben nur in der Theorie. Schließlich habe man das Eigenheim noch nicht so lange. Seine Frau setzt sich aber durch, und beim Kennlern-Nachmittag in der Dorfgemeinde macht das Familienoberhaupt Bekanntschaft mit einem Journalisten aus Eritrea. „Kein Syrer, aber es war trotzdem Liebe auf den ersten Blick.“
Während vergleichbare Programme aufgrund ihrer Themenbandbreite oft etwas zusammengeschustert wirken, gibt es bei Ehring einen roten Faden, noch dazu zu einem hochaktuellen Thema. Natürlich nimmt sich der „Extra 3“-Moderator und „Heute Show“-Außenreporter auch die deutsche Polit-Prominenz zur Brust. Während Kanzlerin Merkel angesichts ihrer aktuellen Flüchtlingspolitik dabei erstaunlich gut wegkommt („Es ist richtig ungewohnt, plötzlich Merkel-Fan zu sein“), hagelt es für CSU-Chef Seehofer verbale Seitenhiebe.
Angesichts der sich häufenden Affären um gefälschte Doktorarbeiten regt Ehring die Einführung von „Doktorklappen“ an, bei denen man anonym seinen Titel abgeben kann. Und um die immer noch bestehenden Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern zu beseitigen, sollten Männer von Januar bis März einfach frei kriegen, um am Jahresende dann den gleichen Lohn zu haben.
Dass der Wahl-Düsseldorfer nicht nur ein Wortakrobat, sondern auch ein versierter Klavierspieler ist, stellt er auch in seinem neuen Programm immer wieder unter Beweis. Mit dem Komponieren von „veganen Kinderliedern“ wie „Alle meine Smoothies“ habe er eine echte Marktlücke entdeckt, witzelt Ehring. Überhaupt bekommen vor allem die körper- und gesundheitsbewussten Vorzeige-Spießer ihr Fett weg, zum Beispiel in einem Lied über die Nebentätigkeit als Yoga-Lehrer, der jetzt scheinbar jeder nachgehen will und muss. .
Auch die anderen selbstkomponierten Songs, die der 43-Jährige während des Abends immer wieder einstreut, überzeugen durch eingängige Melodien und Texte, in denen es mitunter auch mal ernst und nachdenklich wird („Das Glück hat mit dem Glück nichts zu tun“). Mit einem „ehrlich gemeinten Schlaflied“, das Kindern mal nicht die heile Welt vorgaukelt, entlässt der 43-Jährige nach gut zwei Stunden das zufriedene Premierenpublikum nach Hause.
Sich Gedanken machen, die Gesellschaft und das eigene Tun hinterfragen - abseits der vielen Pointen spart der Kabarettist nicht mit leisen, ernsten Tönen. Am Ende stimmt die Mischung, und neben vielen Lachern nehmen die Zuschauer sicher auch den ein oder anderen Denkanstoß mit nach Hause.