Ausstellung „World Unseen“ im Düsseldorfer Stadtmuseum Wenn Fotos fühl- und hörbar werden
Düsseldorf · Blinde und sehgeschädigte Menschen können in einer Sonderausstellung im Düsseldorfer Stadtmuseum Aufnahmen ertasten. Möglich wird das durch eine besondere Technik.
Blinde und sehgeschädigte Menschen haben es häufig nicht leicht, wenn sie ein Museum besuchen wollen. Der Grund: Nur selten ist es erlaubt, die Exponate zu berühren. Was auf Gemälden oder Fotografien zu sehen ist, müssen sie sich dann von ihren Begleitern erklären lassen. Dass es auch anders gehen kann, beweist jetzt die Sonderausstellung „World unseen“, die noch bis zum 30. August im Stadtmuseum Düsseldorf zu erleben sein wird.
Eine spezielle Elevated Print genannte Technik macht es möglich, Fotografien auch ertastbar zu machen, indem sie in taktiler Form ausgedruckt werden. Das Prozedere dauert bis zu vier Stunden.
Blinde Menschen kennen bereits etwas ähnliches, beispielsweise von Raum- oder Straßenplänen. Deshalb hat sich das Unternehmen Canon zur Entwicklung dieser Technologie Expertenrat geholt, um zu erfahren, was in einem Bild hervorgehoben werden muss.
In Kooperation mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Nordrhein wurde dann die Ausstellung im Stadtmuseum realisiert. Bettina Steeger von Canon Deutschland erklärt die Motivation des Unternehmens so: „Bilder können starke Emotionen hervorrufen und Geschichten erzählen, die über das hinausgehen, was Worte ausdrücken.“ Deshalb sei man „der festen Überzeugung, dass dieses Medium auch für alle zugänglich sein sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein spezielles Flachbrettdrucksystem mit einer innovativen Software kombiniert.
Werke bekannter Fotografinnen und Fotografen werden gezeigt
Das Spannende an „World Unseen“ ist, dass nicht irgendwelche Fotos ausgestellt werden, sondern Werke international bekannter Fotografinnen und Fotografen, darunter des mehrfach preisgekrönten südafrikanischen Fotojournalisten Brent Stirton, der Dokumentarfotografin Nanna Heitmann, des Wildlife- und Unterwasserfotografen Aleksander Nordal oder als Besonderheit das Ultraschallbild einer blinden Schwangeren, die damit ihr Ungeborenes ertasten konnte.
Der emotionalen Kraft der gezeigten Fotografien kann man sich kaum entziehen. So hielt Nanna Heitmann in „As frozen Land burns“ einen Waldbrand am kältesten Ort der Welt fest, während ihr Kollege Aleksander Nordahl genau in dem Moment auf den Auslöser drückte, als sich die Köpfe eines Belugawals und eines ehemaligen Walfängers freundschaftlich berühren. Der Fotograf hat das Bild „Love“ betitelt. Brent Stirtons Aufnahme „Rhino Wars“ zeigt das letzte männliche nördliche Breitmaulnashorn, das von drei bewaffneten Soldaten vor Wilderern beschützt wird.
„World Unseen“ macht diese faszinierende Welt für Menschen ohne Augenlicht über den Reliefausdruck erfahrbar. Beispielsweise, indem die raue Haut des Nashorns nachempfunden wird und das Gewehr eines Soldaten als Hervorhebung ertastet werden kann. Begleitend gibt es Informationen in Brailleschrift, als Audio und über einen QR-Code auch digital.
Erstmals vorgestellt wurde „World Unseen“ vom 5. bis 7. April 2024 im Londoner Somerset House. Die Ausstellung zog in den drei Tagen etwa 1100 Besuchende an. Dabei wurden die Fotografien nicht nur als Reliefdruck gezeigt. Jedes Bild war außerdem in Überblendungen zu sehen, die verschiedene Sehstörungen simulierten.
Die Idee dahinter: Sehenden zu vermitteln, wie unterschiedlich Sehschädigungen die visuelle Wahrnehmung beeinflussen können. Im Stadtmuseum helfen Simulationsbrillen dabei, sich beispielsweise in einen Menschen mit Grauem Star hineinzuversetzen.
Solch innovative Ideen wünscht man sich mehr in Kunst- und Kulturräumen. Mit inklusivem Design ließe sich ein Publikum erschließen, das oft Besuche in Museen scheut, weil die Ausstellungen vor allem visuell ausgerichtet sind.