Interview Gaby Trombello-Wirkus über die Kunst des Briefeschreibens

Düsseldorf · Die Düsseldorferin Gaby Trombello-Wirkus beschäftigt sich intensiv mit einer in Vergessenheit geratenen Kulturtechnik.

Gaby Trombello-Wirkus.

Foto: SCHRIFTSCHATZ /Julia Heydkamp/Bild: SCHRIFTSCHATZ /Julia Heydkamp

Wer schreibt heute noch Briefe? Handschriftlich auf feinem Papier, verschickt in einem Briefumschlag mit Briefmarke? Eine Kultur, die in unseren schnellen Tagen, diktiert von von SMS, E-Mails, Voicemails und Nachrichten via WhatsApp, Telegram etc., unter Artenschutz stehen müsste. Denn kaum aufzuhalten scheint die rasante Entwicklung von elektronischer Kommunikation. Damit aber auch der Verfall einer klar lesbaren, manchmal charaktervollen Handschrift, die sich beim Tippen eines Textes verlieren muss.

So ist es kein Zufall, dass gerade jetzt Gaby Trombello-Wirkus und Titus Müller ein Buch herausgeben – unter dem Titel „Die fast vergessene Kunst des Briefeschreibens“. Die WZ sprach mit der Düsseldorferin, die in ihrem Atelier „Schriftsatz“ in Flingern Workshops anbietet, in denen Firmen, Studenten und Schrift-Liebhaber ihre Freude an schöner Handschrift kultivieren können.

Frau Trombello-Wirkus, wie kamen Sie und Ihr Co-Autor Titus Müller dazu, ein Buch über das Briefeschreiben zu schreiben?

Trombello-Wirkus: Aufgrund meiner Leidenschaft zum schönen Schreiben kam ich in Kontakt zum adeo Verlag. Wir haben uns über die vielen positiven Aspekte handgeschriebener Texte ausgetauscht und sind schnell beim Brief gelandet. Gemeinsam mit Titus Müller entstand die Idee, ein Buch herauszubringen, in dem wir die Lust am Briefeschreiben wieder neu „befeuern“ wollten. Die bisher nicht dagewesene Kombination von spannenden und berührenden Briefwechseln und praktischen Tipps war unser Grundgedanke. Wir wollten zeigen, was Briefe bewirken und wie wichtig sie heutzutage immer noch sind. Dass durch die Corona-Pandemie gerade das Briefeschreiben eine so einfache und doch hochemotionale Möglichkeit ist, Distanzen zu überbrücken und persönliche Nähe zu erzeugen, konnten wir damals nicht wissen.

Warum gerade in unserer Zeit?

Trombello-Wirkus: Wir sind dabei, das Warten zu verlernen. Wir haben die Dinge gern sofort, „on demand“ auf unseren Bildschirmen. Ein Brief dagegen ist tagelang unterwegs. Der Sender hat ihn sorgfältig durchdacht, geschrieben, gefaltet und eingetütet. Er hat ihn berührt. Das ist in unserer digitalen Welt etwas Besonderes.

Inwiefern kann ein Briefeschreiber ein Künstler sein?

Trombello-Wirkus: Jeder Künstler wählt sein Medium. Für den Brief gilt: Die Botschaft ist so individuell, wie sie nur sein kann. Gefasst in eigene Worte, zu Papier gebracht in unverwechselbarer Handschrift. Daher ist jeder Brief ein Unikat. Von Hand geschriebene Briefe haben das Ziel, ganz bestimmte Emotionen beim Empfänger auszulösen, nicht wissend, wie seine Reaktion sein wird. Das Hoffen und Bangen, die Zeitverzögerung zwischen Versand und einer möglichen und ersehnten Antwort: All das kann ein sehr schöpferischer Prozess sein.

Heute schreiben viele Menschen Briefe – wenn man überhaupt einen verfasst – auf Computer vor? Warum?

Trombello-Wirkus: Das wüsste ich auch gerne. Möglicherweise, um schneller korrigieren zu können. Dabei ist alleine die Vorbereitung ein haptisches Erleben. Das Bereitstellen der Utensilien, die Auswahl des Papiers, das perfekte Schreibwerkzeug… Das macht doch Spaß. Uns wird suggeriert, dass das digitale Arbeiten zeitsparend sei. Das trifft mit Sicherheit in vielen Fällen zu. Aber manche Dinge wollen bedacht und mit Zeit und Sorgfalt ausgeführt werden.  Das macht sie so besonders und wertvoll. Wer einmal den „Flow“ des Schreibens mit der Hand erlebt hat, den Moment, wenn die Worte einfach aus der Feder auf das Papier „fließen“, der wird hiervon mehr wollen. Das garantiere ich Ihnen.

Was offenbart die Handschrift in einem Brief?

Trombello-Wirkus: Mir persönlich ist der Mensch, dessen Brief ich öffne, sehr nah. Ich halte ein „Stück von ihm“ in meinen Händen. Sie oder er hat das Briefpapier angefasst, den Stift dazu gewählt und Gedanken nur für mich verfasst. Möglicherweise erkenne ich, ob der Brief in Eile oder mit Ruhe geschrieben wurde. Mit Druck oder Leichtigkeit. Mit guter oder schlechter Laune.

Sie zitieren Briefwechsel der großen Literaturgeschichte. Warum?

Trombello-Wirkus: Es war eine subjektive Auswahl von Briefen, die uns persönlich berührt haben. Bei Clara Wieck und Robert Schumann waren die Briefe mitunter der einzige Weg, in Verbindung zu bleiben, weil Claras Vater die Liebe der Beiden unterbinden wollte. Er hat es nicht geschafft, die Briefe waren stärker. Und Ludwig van Beethovens Brief an die „Unsterbliche Geliebte“, Josephine von Brunsvik, die er zeitlebens nicht heiraten durfte, hat solche Wucht. Kafka hat, finden wir, herrlich das Warten auf Post beschrieben. Und Consuelo Carrillo schrieb mit Herz an ihren Mann Antoine de Saint Exupéry, obwohl sie nicht wissen konnte, ob er überhaupt noch lebt. Diese Briefe sind allesamt so nah am Leben, dass sie einem vorkommen wie ein gutes Gespräch mit einem vertrauten Menschen.

In dem Kapitel „Sind Sie vielleicht bey Cassa?“ geht es um Heinrich Heine und seinen Verleger Julius von Campe. Warum der Untertitel „heikle Briefinhalte“?

Trombello-Wirkus: Natürlich gibt es nicht nur die angenehmen Briefe. Auch Forderungen, oder Trennungsabsichten werden in Briefe gefasst. Aber wie viel stilvoller kann ein ablehnendes „Nein“ klingen, wenn es brieflich in freundliche Worte gefasst wird, anstatt per WhatsApp oder E-Mail per Mausklick verschickt zu werden. Und wie viele Briefe sind wütend geschrieben, über Nacht zur Seite gelegt und dann, in „abgekühltem Zustand“ dann doch nie abgeschickt worden. Gut für den Verfasser, der so vielleicht vor Schlimmerem bewahrt wurde. Auch Bettelbriefe  – wie der zum Beispiel von Heine – können durchaus als heikel bezeichnet werden.

Wann haben Sie Ihren letzten Liebesbrief geschrieben?

Trombello-Wirkus: Mein Mann und ich bevorzugen Karten. Kurze Botschaften, besondere Ideen, lustige Gedanken. Und die schreiben wir uns oft und mit großem Spaß.