Blick in die Zukunft Was der Stillstand verändert

Serie · Der Düsseldorfer Schauspieler Benno Führmann hat während der ruhigeren Zeit in der Corona-Pandemie herausgefunden, was für ihn wichtig ist. Und, er hat eine Idee, wie Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft überwunden werden können. Ein Gastbeitrag.

Moritz Führmann berichtet über seine Erfahrungen während der Pandemie.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Und Danke! Die letzte Klappe für meinen „Bitz“ in der Serie „Falk“ war gerade geschlagen; eine aufregende, lustige Drehzeit mit lieben Kollegen war beendet. Es handelte sich um Freitag, den 13. März diesen Jahres. Natürlich hatte es in den Tagen zuvor immer wieder Zusammenkünfte gegeben, bei denen über „den Virus“ und die daraus resultierenden Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen gesprochen wurde. Alles war gefühlt noch weit weg und irgendwie fremd.

Trotzdem bewirkte die Situation, dass die komplizierten Abläufe am Set mit allen beteiligten Departments neu abgestimmt werden und alle Abstandsregeln in die Dreharbeiten eingearbeitet werden mussten. Aber als dann an diesem Freitag den 13. die Klappe fiel, hieß es, dass auch für alle anderen Mitglieder des Teams die Dreharbeiten vorübergehend beendet sein müssten. Und das kam für alle Beteiligten dann doch sehr plötzlich.

Heute blicke ich zurück auf das, was nach diesem Tag kam: das Theater zu, alle Vorstellungen für die kommenden Wochen abgesagt, Dreharbeiten gestoppt. Mein Kalender war schlagartig leergefegt. So war ich gezwungen, innezuhalten. Durchzuatmen. Der Strom an neuen Erfahrungen war schlagartig gekappt, und ich bekam die Gelegenheit, die davor gemachten Erfahrungen sacken zu lassen, alles zu reflektieren, was passiert war. Und es war eine Menge passiert. Momentan werden einige Filme, in denen ich mitspielen durfte, ausgestrahlt, und ich betrachte sie mit einem großen Abstand. Dabei fällt mir auf, was sich seitdem alles geändert hat.

Die verordnete Pause hat mir neben der Erkenntnis, wie schwierig die Lage für Viele momentan ist, zumindest dahingehend gut getan, dass ich meine Familienakkus wieder aufladen konnte. Die Arbeit hatte eine ziemlich große Rolle in meinem Leben eingenommen. Oft war ich mit dem Kopf schon wieder bei einer neuen Rolle, brabbelte bei allen Besorgungen den Text der laufenden Vorstellungen vor mich hin, oder ich spazierte wild gestikulierend am Rhein entlang. Das fiel nun erstmal weg. Ich musste nach 15 Jahren zum ersten Mal nicht jederzeit mehrere Stunden Text parat haben,

In diesem Moment des Verweilens habe ich erst gemerkt, wie ich permanent funktioniert habe und was für einen Druck das bedeutete. Über die Jahre hatte sich das einfach in mein Leben geschlichen.

Neues Bewusstsein für das,
was vorher gefehlt hat

Das Resultat dieser nun eingetretenen Ruhe war eine große Bewusstheit für das, was mir im Leben wichtig ist. Und diese Bewusstheit möchte ich nicht mehr verlieren: Zeit, Familie, Beziehung, Freunde, vor allem Freunde! Ja, es sind die Menschen, denen ich mich verbunden fühle, die mir vor allem gefehlt haben. Und stundenlange Telefonate mit Freunden und Freundinnen, was ich vor allem aus meiner Jugend kannte, die habe ich nun wiederentdeckt, neuerdings oft zusätzlich mit Video.

Das Telefon spielte aber auch noch eine andere wichtige Rolle, denn in die eingekehrte Stille, die Fehlstelle des lebendigen menschlichen Kontaktes, hinein klingelte es und zeigte einen noch unbekannten Anrufer. Als ich dranging, meldete sich am anderen Ende der Leitung Sabine Tüllmann von der Bürgerstiftung.

Und dieser Anruf war ein großes Glück, gefühlt ein echter Neubeginn, der mit Sabine Tüllmanns Initiative aus der Stille entstand. Denn bei der Bürgerstiftung geht es genau um das: das Miteinander, die Menschen. Bedürftigen Düsseldorfern, die sich in einer corona-bedingten Notsituation befinden, kann die Bürgerstiftung schnell und unbürokratisch helfen. Unter anderem auch durch Zeitspenden, also ehrenamtliche Tätigkeiten.

Dieses Konzept hat mir so gut gefallen, dass ich nun stolz bin, für die Bürgerstiftung an der Seite von Tina Müller, Martina Voss-Tecklenburg und unserem Karnevalsprinzen Dirk Mecklenbrauck als Botschafter zu fungieren. Insbesondere die unbürokratische Unterstützung für freie Künstler in der Region, die wir mit der Bürgerstiftung auf den Weg bringen konnten, begeistert mich.

Das Einstehen für Gemeinschaft ist eine Erfahrung, die ich gern in die kommenden Monate weitertragen möchte, entgegen den ganzen Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft. Ich bin überzeugt von gegenseitiger Unterstützung. Das war auch in meiner Arbeit immer eines meiner Prinzipien: Man kann nur so gut sein wie der/die Partnerin, also werde ich ihn/sie so gut es geht unterstützen.

Und so hoffe ich, dass all die Orte, an denen Menschen zusammenkommen, ins Gespräch kommen, Brücken bauen und Verbindungen finden, ganz bald wieder öffnen: Theater, Kinos und Gaststätten. Das Gespräch muss wieder stattfinden.

Dann bin ich sehr zuversichtlich, dass wir uns alle konstruktiv über die Erfahrungen der vergangenen Monate austauschen und sie in etwas Positives verwandeln können. Ich freue mich auf Theater- und Kinopremieren und die Gespräche mit Zuschauern, Freunden. Und vielleicht ist das bald das Gleiche.