Fotografie Zwischen Spiegelfolien und Menschenkörpern

Düsseldorf · Die Fotografin Eileen Quinlan experimentiert mit vergänglichen Materialien. Nun zu sehen im Kunstverein.

Leuchtende Spiegelfolien in zwölf Varianten: „Twinned Mitsouko“ von Eileen Quinlan.

Foto: Katja Illner

An der Wand hängen zwölf Fotos – schwarzweiß und in zwei Reihen arrangiert, wie ein Feld aus rechteckigen Platten. Das Motiv ist immer dasselbe, es variiert nur:  zerknüllte, gefaltete Silberspiegelfolien in Nahaufnahme – sie erinnern an zusammengeschobene Glitzer-Vorhänge. Wo sich die blitzenden Spiegelfolien befinden, bleibt offen, sie könnten aus einem Filmstudio stammen, von einer Theaterbühne oder vom Varieté – durch die Detailaufnahmen verwandeln sich die Glitzerfolien in eine abstrakte Strukturen. „Twinned Mitsouko“ nennt die New Yorker Foto-Künstlerin Eileen Quinlan ihr Werk. Es sticht sofort ins Auge, wenn man den Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen betritt, wo Quinlan unter dem Titel „Wait for it“ ihre Fotografien ausstellt –  ihre erste institutionelle Einzelschau in Europa.

„I Can See It, But I Can‘t Feel It“ – die Fotos von Eileen Quinlan kreieren verführerische Settings wie in der Produktfotografie, nur ohne Produkte.

Foto: Thomas Frank

Quinlan,1972 in Boston geboren, ist keine „klassische“ Fotografin, sie experimentiert mit Materialien, zeigt deren Beschaffenheit und Vergänglichkeit, sie greift in fotochemische Prozesse ein und wirkt somit schon an der materiellen Entstehung der Bilder mit oder fotografiert Fotos nochmal ab und collagiert sie mit anderen Fotos.

Quinlans Vorliebe für die Inszenierung von Stoffen rührt aus ihrer Zeit als Kunst-Studentin. Seinerzeit assistierte sie bei einem kommerziellen Fotografen, der Produkte in Szene setzte, etwa Lippenstifte, Crèmes oder Parfüms. „Für die Produkte haben wir eigens verführerische Räume geschaffen – mit Spiegeln, Stroboskop-Licht oder Nebelmaschinen“, sagt Quinlan. Von der Produkt-Fotografie hat sich die in Brooklyn lebende Künstlerin inspirieren lassen – nur, dass sie keine Produkte ablichtet, sondern allein das Material des Settings.

Quinlan nutzt auch Flachbrett-Scanner als Kamera

Quinlan nutzt aber auch einen Flachbett-Scanner als Kamera. So hat sie Spiegel auf den „Abtaster“ gelegt und den Sensor „eingefangen“, der die Farben schichtet. Das Ergebnis: Vor schwarzem Hintergrund heben sich klare und verschwommene Gebilde ab: in Rot, Gelb, Weiß, Türkis, Kobaltblau – mal wie ein Stab, mal wie Wellen am Meer aus der Vogelperspektive. Könnten auch von einer Wärmebildkamera aufgenommen worden sein.

In Quinlans Foto-Welt geht es aber nicht nur abstrakt zu. Auch Menschen und ihre Körper setzt sie ins Bild – ab 2012 sogar ihren eigenen. Sie zeigt sich nackt im Badezimmer, aber nur ausschnitthaft: die Vagina oder die Brüste vor der Glaswand der Dusche – eingefangen mit einer Digitalkamera, im reflektierenden Gegenlicht. Doch die Oberflächen sind verzerrt, verschliert, zerrissen – als wäre im Chemiebad etwas schief gelaufen. Das liegt daran, dass Quinlan die Digitaldrucke nochmal mit einer Polaroid-Kamera abfotografiert und etwa mit Entwicklerflüssigkeit in den chemischen Prozess eingegriffen hat. Mit diesen verzerrten, fragmentierten Nackt-Selfies versperrt sie den (männlichen) voyeuristischen Blick und reiht sich in die Tradition feministischer Künstlerinnen ein. Vielmehr geht es ihr auch hier um die Beschaffenheit von Material, nur dass es sich nun um das menschliche Fleisch selbst handelt  –  das viel schneller als eine Spiegelfolie seiner Vergänglichkeit entgegensteuert.

Eileen Quinlan: Wait for it, bis 11. August im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, in der Kunsthalle, Grabbeplatz 4.