Ballett Tanz zwischen Fantasy, Mythen und Liebe

Düsseldorf · Beim ersten Ballett-Abend der Spielzeit an der Oper wurden wieder drei Stücke uraufgeführt – doch nur eines überzeugt.

An Fantasy erinnern manche Gestalten, die durch den Kosmos von „New World“ schleichen. Das Stück hinterließ den stärksten Eindruck.

Foto: ja/Gert Weigelt

Schöpfungsgeschichten und Mythen, die sich darum ranken – sie interessieren Robert Binet. In seiner ersten Arbeit „New World“ (Neue Welt) für und mit dem Ballett am Rhein geht der junge kanadische Choreograph weit zurück in der Überlieferung. An Fantasy erinnern manche verhüllte Gestalten, die durch den Kosmos schleichen. Andere biegen, recken und strecken sich, flattern mit den Armen - bewegen sich wie Pflanzen, Wassertiere oder Luftgeister. Über allen schwebt ein weißliches, von innen beleuchtetes Raumschiff (oder eine Wolke?), das sich langsam der Erde nähert. Geheimnisvolle Szenen baut Robert Binet zusammen und wurde, zusammen mit der Kompanie und der japanischen Bühnendesignerin Shizuka Hariu, im gut besuchten (aber nicht ausverkauften) Opernhaus bejubelt.

„New World“ von Robert Binet hinterlässt von allen drei Stücken den stärksten Eindruck

Sicherlich den stärksten Eindruck hinterlässt dieses Opus beim ersten Ballettabend der Saison, in Schläpfer-Zählweise b.37. Verblüffend sind die stilistische Sicherheit, choreographische Originalität und das Erzähltalent des 27-jährigen Kanadiers, der vor Jahren schon für Topkompanien in New York, Hamburg und London gearbeitet hat. So setzt er das Ensemble, von Schläpfer auf Kraft und Neoklassik getrimmt, gezielt ein und erzeugt zauberhafte Bilder. Für Soli, Paare und Gruppen – mal in Himmelblau und mit Kappen, dann wieder in erdigen Trainingsanzügen.

Geleitet werden sie durch die Musikstücke des New Yorkers Nico Muhly: Piano-Solo und Streicher-Klänge im Wechsel. Zuerst tropfen neoromantische Akkorde in die Stille einer „neuen Welt“, bevor surrende Minimal Music den Tanz-Athleten eine Klang-Kulisse für ihr Ankommen auf dem Planeten liefert. Landen sie hier? Oder stranden sie in einer verödeten Landschaft, in der sie durch Spiegelwände hervortreten oder verschwinden? Das lässt das 40-Minuten-Opus offen. Auch wenn eine Wunderlampe aus dem verkrusteten Wolkenschiff kurz auf die Erde hinunterfährt, fordert Binet Fantasie vom Publikum: Manche denken an eine Unter-Wasser-Welt à la Jules Verne.

„The Way Ever Lasting“ erweist sich als wenig innovativ

Um viel Gefühle, manchmal schöne, beliebige Bilder, aber um wenig zündende Tanz-Innovation geht es indes in den anderen „b.37ern“. In „The Way Ever Lasting“ der slowakischen Choreographin Natalia Horecna tanzen Paare synchron, dann wieder auseinander. Eine Liebesgeschichte zwischen den Solisten Marcos Menha und Ann-Kathrin Adam entwickelt sich in einem Pas-de-deux, der mit einem inniglichen Kuss endet. Die Harmonie wird manchmal von einem zwirbelnden Teufelchen (Eric White) unterbrochen. Doch ist er nicht mehr als eine amüsante Nebenfigur.

Auch Schläpfers Ballettdirektor Remus Sucheana vermag mit „Fantaisies“ nicht zu überzeugen

Auch Remus Sucheana, Schläpfers Ballettdirektor und Organisator, überzeugt als Choreograph nur in Maßen. Zu Bohuslav Martinus sechster Symphonie (ein Mix aus Filmmusik und Richard Wagner) kreiert er zwar aparte, eindrucksvolle Tableaus. Ganz schön anzuschauen. Und setzt die gesamte Kompanie ein, die in Designer-Klamotten mehr für optische denn für tänzerische Reize sorgt. Ein roter Faden, ein dramaturgisches Konzept ist in „Fantaisies“ nicht zu erkennen. Gruppen laufen um eine wegweisende Skulptur. Manchmal tragen gebeugte Gestalten andere auf ihrem Rücken. Komödiantische Elemente mischen sich mit Mythologie-Splittern. Die Folge: zurückhaltender Applaus eines Publikums, das beim Verlassen des Opernhauses die meisten Bilder wieder vergessen hat.