Sterbehilfe Theatergruppe begleitet 81-jährige Düsseldorferin in den Tod
Die Gruppe Markus&Markus bringt das Thema Sterbehilfe auf die Bühne. Im Mittelpunkt steht eine Düsseldorferin.
Düsseldorf. Die Gesellschaft, in der wir leben, sieht die Freiheit des Menschen als eines ihrer höchsten und schützenswertesten Güter. Doch diese Freiheit stößt an Grenzen. Wenn sich ein Mensch entschließt, sein Leben beenden zu wollen, etwa weil eine schwere Krankheit dieses Leben für ihn nicht mehr lebenswert macht, ist er in Deutschland auf sich allein gestellt. In anderen Ländern, wie der Schweiz, gibt es die Möglichkeit, in bestimmten Fällen Hilfe bei der Vorbereitung und Durchführung eines Freitods in Anspruch zu nehmen.
Mit dieser Thematik beschäftigt sich die neue Produktion „Ibsen: Gespenster“ der Hildesheimer Performancegruppe Markus&Markus. In Ibsens Vorlage geht es um einen jungen Mann, Osvald, der seine Mutter bittet, ihn von seinen Qualen infolge einer Syphilis-Erkrankung zu befreien und ihn zu vergiften.
„Für unsere Produktion haben wir Sterbehilfevereine kontaktiert mit der Frage, ob sie uns jemanden vermitteln können, der zu einer Zusammenarbeit bereit wäre“, sagt Markus Wenzel von Markus&Markus. So kam nach einiger Zeit der Kontakt zu Margot zustande. Die 81-jährige Düsseldorferin hatte verschiedene körperliche Leiden, wie eine hohe Geräuschempfindlichkeit und starke Schmerzen beim Gehen, die ihr das Leben sehr schwer gemacht haben. „Auch wenn sie lebensfroh wirkte, war der Sterbewunsch bei ihr sehr gefestigt“, so Wenzel.
Die fünfköpfige Künstlergruppe hat Margot dann im letzten Monat ihres Lebens - April 2014 - täglich besucht und bis zum Ende begleitet. „Margot wurde gewissermaßen zur Regisseurin unseres Stücks“, so Wenzel. Gemeinsam haben die Künstler mit ihr überlegt, wie das Stück aussehen, die Bühne und die Requisiten gestaltet sein könnten.
In Gesprächen habe man außerdem versucht, den Menschen Margot besser zu verstehen: Was hat Margot erlebt? An welche Momente erinnert sie sich gerne? Und warum möchte sie nun sterben? „Wir hatten manchmal den Eindruck, sie wirkte fröhlicher als sie tatsächlich war“, so der Schauspieler.
Auf der Bühne wird das alles dann zu einer großen Collage. Die Schauspieler berichten über die Momente und Erlebnisse mit Margot. Als Videoprojektion sind immer wieder Ausschnitte aus der gemeinsamen Zeit zu sehen: Margots Fotoalben, Dokumente und Gegenstände.
Doch wie weit darf man auf der Theaterbühne bei so einem Thema gehen? Markus&Markus gehen bis zum Ende. Auf der Videoleinwand ist zu sehen, wie sich Margot ein letztes Mal bei ihren Begleitern bedankt und dann selbst die tödliche Infusion in Gang setzt. „Es war Margots Entscheidung, dass wir bis zu ihrem Tod bei ihr sind. Wir sind, auch mit dem Video, ihrem Wunsch gefolgt“, sagt Wenzel.
Beim Tod eines Menschen anwesend zu sein, sei ein sehr spezieller Moment. Auch den haben die Theatermacher mit den Zuschauern teilen wollen. Dennoch will die Gruppe auf der Bühne keine Debatte führen, kein Pro oder Contra verkörpern. „Wir haben während der Zeit mit Margot gelernt, dass Ibsens Osvald noch immer lebt. Egal wie die Regierung in der Debatte entscheidet, es kommt immer auf den einzelnen Menschen an“, so Wenzel.